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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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großen Geldleute, der
equites
, nahe, der Nobilität die in den Tributkomitien einflußreiche Bauernschaft. Man denke dort an die Gracchen und Marius, hier an C. Flaminius; und man braucht nur schärfer hinzusehen, um die ganz veränderte Stellung der Konsuln und Tribunen zu bemerken. Sie sind nicht mehr die ernannten Vertrauensmänner des ersten und dritten Standes, deren Haltung damit bestimmt ist, sondern sie vertreten und wechseln die Partei. Es gibt »liberale« Konsuln wie den älteren Cato und »konservative« Tribunen wie Octavius, den Gegner des Ti. Gracchus. Beide Parteien stellen für die Wahlen ihre Kandidaten auf und suchen sie mit allen Mitteln demagogischer Bearbeitung durchzubringen, und wenn das Geld bei den Wahlen keinen Erfolg gehabt hat, so gelingt es ihm bei den Gewählten immer besser.
    In England haben Tories und Whigs zu Beginn des 19. Jahrhunderts sich selbst als Parteien konstituiert, der Form nach verbürgerlicht und dem Wortlaut nach beide das liberale Programm angenommen, wodurch die öffentliche Meinung wie immer vollkommen überzeugt und zufriedengestellt war. [Vgl. Bd. II, S. 1075.] Durch diese meisterhaft und rechtzeitig vollzogene Schwenkung ist es überhaupt nicht zur Bildung einer standesfeindlichen Partei gekommen wie in dem Frankreich von 1789. Die Mitglieder des Unterhauses wurden aus Sendboten der herrschenden Schicht zu Volksvertretern, die von ihr weiterhin finanziell abhängig waren; die Führung blieb in derselben Hand und der Parteigegensatz, für den sich seit 1830 die Worte liberal und konservativ wie von selbst einstellten, beruhte auf einem Mehr oder Weniger, nicht auf einem Entweder-Oder. Es sind dieselben Jahre, in denen die literarische Freiheitsstimmung des »Jungen Deutschland« in eine Parteigesinnung überging, und wo in Amerika unter Präsident Jackson sich der republikanischen Partei gegenüber die demokratische organisierte und der Grundsatz, daß Wahlen ein Geschäft und sämtliche Staatsämter die Beute des Siegers seien, in aller Form anerkannt wurde. [In aller Stille ging gleichzeitig die katholische Kirche von der Standes- zur Parteipolitik über, und zwar mit einer strategischen Sicherheit, die nicht genug bewundert werden kann. Im 18. Jahrhundert war sie, was den Stil ihrer Diplomatie, die Vergebung der großen Stellen und den Geist ihrer höheren Kreise betrifft, durchaus aristokratisch gewesen. Man denke an den Typus des Abbé und an die Kirchenfürsten, welche Minister und Gesandte wurden wie der junge Kardinal Rohan. Jetzt tritt, ganz »liberal«, an Stelle der Abkunft die Gesinnung, an Stelle des Geschmacks die Arbeitskraft, und die großen Mittel der Demokratie, die Presse, die Wahlen, das Geld, werden mit einem Geschick gehandhabt, das der eigentliche Liberalismus selten erreicht und nirgends übertroffen hat.]
    Aber die Form der regierenden Minderheit entwickelt sich
vom Stand über die Partei hinaus unaufhaltsam weiter zur Gefolgschaft von Einzelnen
. Das Ende der Demokratie und ihr Übergang zum Cäsarismus äußert sich deshalb darin, daß nicht etwa die Partei des dritten Standes, der Liberalismus verschwindet, sondern die Partei als Form überhaupt. Die Gesinnung, das volkstümliche Ziel, die abstrakten Ideale aller echten Parteipolitik lösen sich auf, und an ihre Stelle tritt die
Privat
politik, der ungehemmte Machtwille weniger Rassemenschen. Ein Stand hat Instinkte, eine Partei hat ein Programm, eine Gefolgschaft hat einen Herrn: das ist der Weg von Patriziat und Plebs über Optimaten und Populären zu den Pompejanern und Cäsarianern. Das Zeitalter der echten Parteiherrschaft umfaßt kaum zwei Jahrhunderte und ist für uns seit dem Weltkrieg bereits in vollem Niedergang begriffen. Daß die gesamte Masse der Wählerschaft aus einem gemeinsamen Antrieb heraus Männer entsendet, die ihre Sache führen sollen, wie es in allen Verfassungen ganz naiv gemeint ist, war nur im ersten Anlauf möglich und setzt voraus, daß nicht einmal die Ansätze zur Organisation bestimmter Gruppen vorhanden sind. So war es 1789 in Frankreich, 1848 in Deutschland. Mit dem Dasein einer Versammlung ist aber sofort die Bildung taktischer Einheiten verbunden, deren Zusammenhalt auf dem Willen beruht, die einmal errungene herrschende Stellung zu
behaupten
, und die sich nicht im geringsten mehr als Sprachrohr ihrer Wähler betrachten, sondern umgekehrt diese mit allen Mitteln der Agitation sich gefügig machen, um sie für ihre Zwecke einzusetzen. Eine Richtung

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