Der Unterhändler
Konzerne in Europa, denen er lieber keine mühsam ausgeklügelten Erklärungen geben wollte.
»Sie sind ein Scheißkerl, Quinn«, sagte er schwach. »Waren schon immer einer. Also gut, ein paar Stunden im Archiv, und mitgenommen wird nichts.«
»Das werd’ ich doch Ihnen nicht antun«, sagte Quinn liebenswürdig. Hayman führte ihn in sein Archiv im Souterrain.
Teils aus geschäftlichen Gründen, teils aus persönlichem Interesse hatte Julian Hayman im Laufe der Jahre ein umfassendes Archiv von Rechtsbrechern jeglicher Art angelegt. Mörder, Bankräuber, Gangster, Betrüger, Rauschgifthändler, Waffenschieber, Terroristen, Kidnapper, korrupte Banker, Buchhalter, Anwälte, Politiker und Polizeibeamte, tot, lebend, im Gefängnis oder einfach abgängig – er ließ sie archivieren, wenn ihre Namen gedruckt auftauchten, und oft auch nur einfach so.
»Irgendeine bestimmte Abteilung?« fragte Haymann, als er die Beleuchtung anschaltete. Der ganze Raum war voller Aktenschränke, und dabei wurden hier nur die Karteikarten und die Fotografien aufbewahrt. Die Mehrzahl der Daten war gespeichert.
»Söldner«, sagte Quinn.
»Wie im Kongo?« fragte Hayman.
»Wie im Kongo, im Jemen, im südlichen Sudan, in Biafra, Rhodesien.«
»Von hier bis da«, sagte Hayman und deutete auf acht Meter stählerne Aktenschränke, die einem Mann bis in Kinnhöhe reichten. »Der Tisch ist dort am Ende.«
Quinn brauchte vier Stunden, aber er wurde von niemandem gestört. Das Foto zeigte vier Männer, alle Weiße. Sie standen um den Kühler eines Jeep gruppiert, auf einer schmalen, staubbedeckten Straße, eingerahmt von, wie es aussah, afrikanischem Buschland. Hinter ihnen waren mehrere schwarze Soldaten zu erkennen. Die Weißen trugen Kampfuniformen mit Tarnjacken und Kalbslederstiefel. Drei hatten Tropenhelme auf. Alle hielten belgische automatische FLN -Gewehre in den Händen. Ihre Kampfanzüge waren leopardenartig gefleckt, wie sie die Europäer im Gegensatz zu den gestreiften der Briten und Amerikaner bevorzugen.
Quinn ging mit dem Foto zum Tisch, legte es unter die Leselampe und fand in der Schublade ein starkes Vergrößerungsglas. Darunter trat, obwohl das alte Foto schon vergilbt war, das Muster an der Hand eines der Männer deutlicher hervor. Ein Spinnennetz auf dem linken Handrücken und in der Mitte des Netzes die lauernde Spinne.
Er durchsuchte die Bestände noch weiter, fand aber sonst nichts Interessantes. Nichts, was ihm bekannt vorkam. Er drückte auf den Summer, um hinausgelassen zu werden.
In seinem Büro streckte Julian Hayman die Hand nach dem Foto aus.
»Wer sind die?« fragte Quinn. Hayman betrachtete die Rückseite der Aufnahme. Wie jede andere Karteikarte und Fotografie in seiner Sammlung hatte sie umseitig eine siebenstellige Zahl. Er tippte die Zahl auf das Tastenfeld seines Desk-top-Computers. Auf dem Bildschirm erschien die volle Eintragung.
»Na, da haben Sie ja ein paar reizende Burschen rausgesucht, mein Freund.«
Er las vom Bildschirm ab: »Foto mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Provinz Maniema, östlicher Kongo, heute Zaire, irgendwann im Winter 1964 aufgenommen. Der Mann links ist Jacques Schramme, Black Jack Schramme, der belgische Söldner.«
Er geriet in Fahrt. Söldner waren seine Spezialität.
»Schramme war einer der ersten. Er kämpfte 1960 bis 1962 gegen die Einheiten der Vereinten Nationen, als Katanga sich vom Kongo loslösen wollte. Als der Versuch scheiterte, mußte er außer Landes gehen und suchte Zuflucht im benachbarten Angola, damals noch portugiesisch regiert und ultrarechts. Wurde im Herbst 1964 zur Rückkehr aufgefordert, um bei der Niederschlagung der Simba-Revolte mitzuhelfen. Stellte seine alte Leopardengruppe wieder auf die Beine und machte sich daran, die Provinz Maniema zu befrieden. Ja, das ist er. Sonst noch was?«
»Die anderen?«
»Hm. Der eine ganz links ist ebenfalls ein Belgier, Kommandeur Wauthier. Er befehligte damals in Watsa ein Kontingent ausgehobener Katangesen und ungefähr zwanzig weiße Söldner. Muß zu Besuch gewesen sein. Interessieren Sie sich für Belgier?«
»Vielleicht.« Quinns Gedanken kehrten zu dem Volvo in der Lagerhalle zurück. Er war an der offenen Tür vorbeigekommen und hatte den Rauch einer Zigarette gespürt. Keine Marlboro, keine Dunhill. Eher Gauloises. Oder Bastos, die belgische Sorte. Zack rauchte nicht; er hatte seinen Atem gerochen.
»Der ohne Hut, in der Mitte, ist Roger Lagaillarde, ebenfalls ein Belgier.
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