Der Unterhändler
über den Sund wehklagend der kühle Novemberwind.
Der Gottesdienst fand in der episkopalischen Kirche an der Fair Street statt, viel zu klein, um alle fassen zu können, die daran teilnehmen wollten. Die Präsidentenfamilie saß in den beiden ersten Reihen der Kirchenbänke, hinter ihr das Kabinett, und die übrigen Plätze nahm eine Vielzahl von Würdenträgern ein. Auf Wunsch der Familie war es ein Gottesdienst im kleinen Kreis – Botschafter und Abgesandte aus dem Ausland waren gebeten worden, an einem Gedenkgottesdienst teilzunehmen, der später in Washington stattfinden sollte.
Der Präsident hatte auch die Medien darum ersucht, die stille Feier nicht zu stören. Trotzdem waren sie zahlreich vertreten. Die Inselbewohner – Feriengäste gab es in dieser Jahreszeit keine hier – nahmen seinen Wunsch durchaus wörtlich. Selbst die Männer vom Secret Service, nicht für feine Manieren bekannt, waren überrascht, daß ihnen die Arbeit von den düsteren, schweigsamen Nantucketers abgenommen wurde, die ohne viel Umstände mehrere Kameraleute aus dem Weg beförderten, von denen zwei sich bitter beklagten, weil ihre Filmrollen belichtet worden waren.
Der Sarg wurde aus der einzigen Leichenhalle der Insel, an der Union Street, wo er nach dem Eintreffen in einer C -130 der Air Force – der kleine Flugplatz bot nicht genug Platz für die Boeing 747 – gestanden hatte, zur Kirche gebracht.
Der Gottesdienst war zur Hälfte vorüber, als die ersten Regenschauer kamen, das graue Schieferdach netzten und die Buntglasfenster und hellroten und grauen Steine des Bauwerks wuschen.
Als die Zeremonie zu Ende war, wurde der Sarg auf einen Leichenwagen gehoben, der die halbe Meile zum Hill im Schrittempo dahinrollte; aus der Fair Street hinaus, über das holprige Pflaster der Main Street und die New Mill Street hinauf zur Cato Lane. Die Trauergäste gingen durch den Regen, ihnen voran der Präsident, der stumm vor Schmerz auf den mit der Flagge drapierten Sarg ein paar Schritte vor ihm starrte. Sein jüngerer Bruder stützte die schluchzende Myra Cormack.
Den Weg des Trauerzugs säumten barhäuptig und schweigsam die Leute von Nantucket. Da standen die Händler, die der Familie Fisch, Fleisch, Eier und Gemüse verkauft, die Restaurantbesitzer, die den Cormacks in den zahlreichen guten Restaurants auf der Insel das Essen serviert hatten. Man sah die alten Fischer mit ihren gegerbten Gesichtern, die dem flachsblonden Jungen aus New Haven das Schwimmen, Tauchen und Fischen beigebracht oder ihn zum Muschelfang draußen vor dem Sankaty-Leuchtturm mitgenommen hatten.
Der Hausmeister und der Gärtner standen weinend an der Ecke Fair Street/Main Street, um von dem Jungen Abschied zu nehmen, der auf den harten, von der Flut überspülten Stränden von Coatue bis zum Great Point und zurück zum Siasconset Beach das Laufen gelernt hatte. Doch Opfer von Sprengstoffanschlägen sind nicht für die Augen der Lebenden bestimmt, und der Sarg war verschlossen.
Auf dem Prospect Hill zogen die Trauergäste in die protestantische Hälfte des Friedhofs ein, vorbei an den hundert Jahre alten Gräbern von Männern, die mit ihren kleinen, offenen Booten die Wale attackiert und an den langen Winterabenden zum Schein von Öllampen kleine Kunstwerke aus Muscheln geschnitzt hatten. Der Zug erreichte den neuen Teil des Friedhofs, wo das Grab ausgehoben worden war.
Die Menschen verteilten sich um das Grab, bildeten eine Reihe hinter der anderen, und der Wind fegte über den Sund und die kleine Stadt und zerrte an dieser hoch gelegenen, ungeschützten Stelle an Haaren und Schals. Kein Geschäft, keine Tankstelle, keine Bar hatte an diesem Tag geöffnet. Kein Flugzeug landete, keine Fähre legte im Hafen an. Die Bewohner der Insel hatten die Welt ausgeschlossen, um einen der Ihren zu betrauern, wenn es auch ein angenommener Sohn war. Der Prediger begann die alten Worte zu intonieren, die der Wind davontrug.
Aus großer Höhe blickte ein einsamer Gerfalke, aus der Arktis herbeigeweht wie eine Schneeflocke vom Sturm, auf den Friedhof hinab. Sein unglaublich scharfes Auge erspähte jede Einzelheit, und der Wind trug seinen Schrei davon.
Der Regen, der seit dem Gottesdienst aufgehört hatte, setzte wieder ein, kam in Schauern, gepeitscht von Böen herab. Unten an der Straße knarrten die arretierten Flügel der Old Mill. Die Männer aus Washington verkrochen sich fröstelnd in ihren dicken Mänteln. Der Präsident stand regungslos da und blickte hinab auf
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