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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Bei einem Überfall von Simbas auf der Straße nach Punia getötet. Keine Frage.«
    »Und der große Typ?« fragte Quinn. »Der Riese?«
    »Ja, groß ist der wirklich«, sagte Hayman. »Muß an die zwei Meter sein. Gebaut wie ein Scheunentor. Anfang zwanzig, so wie er aussieht. Leider hat er den Kopf weggedreht. Weil sein Tropenhelm einen Schatten wirft, kann man von seinem Gesicht nicht viel sehen. Vermutlich deswegen hat er keinen Namen. Nur einen Spitznamen – der große Paul. Das ist alles, was hier steht.«
    Er schaltete den Bildschirm ab. Quinn hatte etwas auf einen Schreibblock gezeichnet. Er schob es zu Hayman hinüber.
    »Haben Sie das schon mal gesehen?«
    Hayman blickte auf das Spinnennetz mit der Spinne in der Mitte. Er zuckte die Achseln.
    »Eine Tätowierung? Wie sie junge Rabauken, Punks, Fußballschläger tragen. Ziemlich häufig zu sehen.«
    »Versuchen Sie zurückzudenken«, sagte Quinn. »Belgien, sagen wir, vor dreißig Jahren.«
    »Ah, Moment. Wie zum Teufel, hat das wieder geheißen? Ja, richtig, Arraignee. Das flämische Wort für Spinne fällt mir jetzt nicht ein, nur das französische.«
    Er tippte mehrere Sekunden lang auf seine Tasten.
    »Schwarzes Netz, rote Spinne in der Mitte, auf dem linken Handrücken?«
    Quinn strengte sein Gedächtnis an. Er war an der offenen Beifahrertür des Volvo vorbeigekommen. Zack hinter ihm. Der Mann auf dem Fahrersitz hatte sich hergebeugt und ihn durch die Schlitze in der Kapuze beobachtet. Ein großer Mann, der sitzend beinahe das Wagendach berührte. Zur Seite gelehnt, sich mit der linken Hand abstützend. Und er hatte den linken Handschuh zum Rauchen abgestreift.
    »Yeah«, sagte Quinn, »das war’s.«
    »Ein belangloser Verein«, sagte Hayman abschätzig, während er vom Schirm ablas. »Rechtsextreme Organisation, Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre entstanden. War gegen die Entkolonialisierung des Kongo, Belgiens einziger Kolonie. Natürlich gegen Schwarze und auch gegen Juden. Rekrutierte junge Ausreißer und Rabauken, Schläger und anderes Pack. Darauf spezialisiert, Schaufenster von jüdischen Geschäften einzuwerfen, linke Redner durch Zwischenrufe zu stören, liberale Abgeordnete zu verprügeln. Schließlich ist es still um sie geworden. Durch die Auflösung der europäischen Kolonialreiche sind ja alle möglichen derartigen Gruppen entstanden.«
    »War es eine flämische oder eine wallonische Bewegung?« fragte Quinn. Er wußte, daß es in Belgien zwei große Volksgruppen gibt, die Flämisch sprechenden Flamen, vor allem in der nördlichen, an Holland grenzenden Landeshälfte, und die Wallonen im Süden, die französisch sprechen. Belgien ist ein zweisprachiges Land.
    »Genaugenommen beides«, sagte Hayman, nachdem er sein Gerät zu Rate gezogen hatte. »Aber hier heißt es, sie entstand in Antwerpen und war dort immer am stärksten. Also nehme ich an, flämisch.«
    Jede andere Frau hätte Gift und Galle gespuckt, wenn man sie viereinhalb Stunden hätte warten lassen. Zum Glück für Quinn war Sam eine geschulte Spezialagentin und hatte gelernt, wie man sich beim Beschatten, der langweiligsten Aufgabe von der Welt, in Geduld übt. Sie saß bei ihrer fünften Tasse schauderhaften Kaffees.
    »Wann bringst du deinen Mietwagen zurück?« fragte er.
    »Heute abend. Ich könnte ihn länger behalten.«
    »Kannst du ihn am Flughafen zurückgeben?«
    »Sicher. Warum fragst du?«
    »Weil wir nach Brüssel fliegen.«
    Das schien sie nicht zu freuen.
    »Bitte, Quinn, müssen wir unbedingt fliegen? Ich nehme es auf mich, wenn es nicht anders geht, aber wenn ich kann, drücke ich mich davor. Außerdem bin ich in letzter Zeit zuviel geflogen.«
    »Okay«, sagte er. »Gib den Wagen in London zurück. Wir nehmen den Zug und das Hovercraft-Boot. Wir müssen ja sowieso in Belgien einen Wagen mieten. Warum nicht in Ostende? Und wir brauchen Geld. Ich habe keine Kreditkarten.«
    »Du hast was nicht?« Das hatte sie noch niemanden sagen hören.
    »In Akantara del Rio brauche ich keine.«
    »Okay, wir gehen auf die Bank. Ich werde einen Scheck ausschreiben. Hoffentlich habe ich zu Hause genug auf meinem Konto.«
    Auf der Fahrt zur Bank schaltete sie das Radio an, das Trauermusik brachte. In London war es 16   Uhr und wurde schon dunkel. In weiter Ferne, jenseits des Atlantik, beerdigte zu dieser Stunde die Familie Cormack ihren Sohn.

12. Kapitel
    Sie trugen ihn auf dem Prospect Hill, dem Friedhof der Insel Nantucket, zu Grabe, und aus dem Norden kam

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