Der Unterhändler
ebenfalls gelächelt hatte.
»Ich glaube«, sagte der General des GRU , »er würde nicht aus Washington kommen, falls wir Amerika vor vollendete Tatsachen stellen. Aber ich bin sicher, er wird vom Nowaja Ploschtschad kommen; der Mann aus Stawropol wird den Plan rundweg ablehnen.«
(Am Neuen Platz in Moskau steht das Gebäude des Zentralkomitees, und die Erwähnung von Stawropol war keine allzu schmeichelhafte Anspielung auf den Generalsekretär, Michail Gorbatschow, der von dort stammt.)
Die vier Militärs nickten düster. Der GRU -Mann setzte seine Argumentation fort.
»Wir alle wissen, daß in den letzten zwölf Monaten, also seit dieser verdammte Cormack in Wnukowo zum großen russischen Popstar wurde, Gremien aus beiden Verteidigungsministerien die Einzelheiten eines großen Abrüstungsvertrags ausarbeiten. Gorbatschow fliegt in zwei Wochen nach Amerika, um den Vertrag unter Dach und Fach zu bringen und dadurch genügend Mittel zum Ausbau unserer einheimischen Erdölindustrie freizubekommen. Solange er glaubt, uns auf diesem Weg unser Öl verschaffen zu können, wird er doch den Teufel tun und seinen Vertrag mit Cormack, der ihm so viel bedeutet, platzen lassen, indem er uns grünes Licht für die Invasion des Iran gibt, oder?«
»Und wenn er seinen Vertrag kriegt, wird das Zentralkomitee ihn auch ratifizieren?« fragte der General aus Baku.
»Er hat das Zentralkomitee jetzt in der Tasche«, grollte Koslow. »In den letzten beiden Jahren hat er fast die gesamte Opposition entfernt.«
Mit dieser pessimistischen, resignierten Feststellung endete die Konferenz. Die Kopien des Suworow-Plans wurden eingesammelt und im Panzerschrank des Marschalls eingeschlossen; die Generäle kehrten auf ihre Posten zurück, bereit, sich ruhig zu verhalten, zu beobachten und abzuwarten.
Zwei Wochen später saß auch Cyrus V . Miller in einer Konferenz, allerdings mit einem einzigen Gegenüber, einem langjährigen Freund und Kollegen. Er und Melville Scanlon kannten sich seit dem Koreakrieg, als der junge Scanlon nach seinem Studium in Galveston frisch-gebackener Unternehmer gewesen war und sein spärliches Kapital in ein paar kleine Tanker investiert hatte. (Zu der Zeit waren alle Tanker klein.)
Miller hatte einen Vertrag über die Lieferung seines neuen Düsentreibstoffs an die United States Air Force; Lieferort war ein Hafen in Japan, wo die Tanker der Marine den Treibstoff übernahmen, um ihn in das belagerte Südkorea zu bringen. Miller gab den Vertrag Scanlon, und dieser hatte wahre Wunder gewirkt; er hatte seine Rostkähne durch den Panamakanal geschleust, den Flugzeug-Turbinentreibstoff in Kalifornien übernommen und ihn über den Pazifik transportiert. Da Scanlon mit denselben Schiffen zunächst Rohöl und Vorprodukte aus Texas an die Westküste brachte, dann die Ladung wechselte und nach Japan in See ging, hatte Scanlon auf der ganzen Reise Fracht und bekam Miller genügend Vorprodukte für die Umwandlung in Turbinentreibstoff. Drei Tankerbesatzungen waren im Pazifik mit ihren Schiffen untergegangen, aber es wurden keine Fragen gestellt, und beide Männer hatten sehr viel Geld verdient, bevor Miller schließlich gezwungen wurde, sein Know-how in Lizenz an die »Großen« weiterzugeben.
Scanlon war dann ganz groß ins Erdölgeschäft eingestiegen und hatte weltweit Rohöl gekauft und verschifft, vor allem aber aus dem Persischen Golf nach Amerika. Nach 1981 hatte er dann einen schweren Rückschlag erlitten, als die Saudis beschlossen hatten, ihre Frachten aus dem Golf nur noch von Schiffen transportieren zu lassen, die unter »arabischer Flagge« fuhren, was sie allerdings im Grunde genommen nur für das sogenannte »participation crude« durchsetzen konnten, also den Teil des Rohöls, der nicht der jeweiligen Ölgesellschaft, sondern dem Förderland gehörte.
Aber Scanlon hatte eben dieses Öl nach Amerika transportiert, und so war er aus dem Geschäft gedrängt und gezwungen worden, seine Tanker den Saudis und Kuwaitern zu uninteressanten Preisen zu verkaufen. Er hatte überlebt, war aber seitdem nicht mehr allzu gut auf Saudi-Arabien zu sprechen. Immerhin, ein paar Tanker waren ihm geblieben, die zwischen dem Golf und den Vereinigten Staaten fuhren und überwiegend Aramco-Rohöl transportierten, das nicht unter die Vorschrift »arabische Flagge« fiel.
Miller stand an seinem liebsten Aussichtsfenster und schaute auf das Häusermeer von Houston tief unter ihm hinab. Er fühlte sich Gott ähnlich, wenn er so hoch
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