Der Unterhändler
wartete Quinn schon seit zwei Stunden, regungslos wie eine Statue. Der Schatten eines Goldregenstrauchs schirmte ihn gegen das Licht der Straßenlaterne ab; seine schwarze Windjacke, an der er den Reißverschluß zugezogen hatte, und seine Unbeweglichkeit besorgten das übrige. Leute gingen nur ein paar Schritte weit an ihm vorüber, doch niemand sah den Mann im Schatten.
Es war 22.30 Uhr; die Bewohner der eleganten Häuser an diesem Platz in Chelsea kehrten um diese Zeit aus den Restaurants in Knightsbridge und Mayfair zurück. David und Carina Frost fuhren in ihrem betagten Bentley vorüber, zu ihrem Haus weiter vorne in der Häuserreihe. Um 23 Uhr erschien der Mann, auf den Quinn wartete.
Er parkte seinen Wagen in einer den Hausbewohnern vorbehaltenen Bucht auf der anderen Straßenseite, stieg die drei Stufen zum Hauseingang hinauf und steckte den Schlüssel ins Schloß. Quinn stand dicht neben ihm, noch ehe sich der Schlüssel drehte.
»Julian.«
Julian Hayman fuhr herum.
»Mein Gott, Quinn, tun Sie so was nicht. Ich hätte Sie flachlegen können.«
Obwohl Hayman schon Jahre vorher den Abschied von seinem Regiment genommen hatte, war er körperlich immer noch sehr fit. Doch nach Jahren des Stadtlebens waren seine Reflexe eine Kleinigkeit weniger scharf als früher. Quinn hatte in diesen Jahren in Weingärten unter der sengenden Sonne geschuftet. Er versagte es sich anzudeuten, daß ein solches Zusammentreffen, käme es dazu, auch anders ausgehen könnte.
»Ich muß noch einmal in Ihr Archiv, Julian.«
Hayman hatte sich wieder gefangen. Er schüttelte mit Entschiedenheit den Kopf.
»Tut mir leid, alter Junge. Nicht noch mal, kommt nicht in Frage; von ihnen muß man die Finger lassen. Unter der Hand wird über die Cormack-Affäre gemunkelt. Ich kann kein Risiko eingehen. Das ist endgültig.«
Quinn erkannte, daß es eine endgültige Ablehnung war. Die Spur war zu Ende. Er wandte sich zum Gehen.
»Übrigens«, rief ihm Hayman von der Tür aus nach. »Ich war gestern mit Barney Simkins zum Lunch aus. Erinnern Sie sich an den alten Barney?«
Quinn nickte. Barney Simkins, ein Direktor bei Broderick-Jones, der Tochterfirma von Lloyd’s, die Quinn zehn Jahre lang überall in Europa eingesetzt hatte.
»Er sagt, bei ihnen habe sich irgend jemand telefonisch gemeldet und nach Ihnen gefragt.«
»Wer?«
»Keine Ahnung. Barney sagt, der Anrufer sei sehr verschlossen gewesen und habe nur gesagt, wenn Sie sich mit ihm in Verbindung setzen wollen, sollen Sie ein kleines Inserat aufgeben. In der International Herald Tribune, Pariser Ausgabe, an irgendeinem der nächsten zehn Tage, und › Q .‹ daruntersetzen.«
»Hat er keinen Namen angegeben?« fragte Quinn.
»Nur einen, alter Junge. Einen komischen Namen. Zack.«
15. Kapitel
Quinn setzte sich neben Sam, die im Wagen um die Ecke im Mulberry Walk gewartet hatte. Er wirkte sehr nachdenklich.
»Will er nicht mitspielen?«
»Hm?«
»Hayman. Will er dich nicht noch mal in sein Archiv lassen?«
»Nein. Damit ist’s vorbei. Endgültig. Aber wie es scheint, will jemand anders mitspielen. Zack hat angerufen.«
Sie war baff.
»Zack? Und was will er?«
»Sich mit mir treffen.«
»Wie hat er es nur geschafft, dich zu finden?«
Quinn trat aufs Gas und fuhr vom Randstein weg.
»Eine ganz unwahrscheinliche Geschichte. Vor vielen Jahren, als ich bei Broderick-Jones arbeitete, wurde ich hin und wieder in der Presse erwähnt. Er wußte von mir nicht mehr als meinen Namen und meinen Job. Anscheinend bin ich nicht der einzige, der alte Zeitungsausschnitte durchsucht. Durch einen irren Zufall war Hayman mit jemandem aus meiner alten Firma beim Essen, und da kam die Sache zur Sprache.«
Er bog in die Old Church Street und dann gleich wieder in die King’s Road ab.
»Quinn, er wird dich umbringen wollen. Er hat ja schon zwei von seinen Komplizen umgelegt. Jetzt kann er das ganze Lösegeld behalten, und wenn du aus dem Weg geschafft bist, wird er nicht mehr gejagt. Offensichtlich hält er es für wahrscheinlicher, daß du ihn aufspürst und nicht das FBI .«
Quinn lachte kurz auf.
»Wenn er nur wüßte. Ich habe nicht den Schimmer einer Ahnung, wer er ist oder wo er ist.«
Er beschloß, ihr zu verschweigen, daß er inzwischen nicht mehr glaubte, daß Marchais und Pretorius von Zack umgelegt worden waren. Nicht daß ein Kerl wie Zack davor zurückschrecken würde, seinesgleichen aus dem Weg zur räumen, wenn er entsprechend bezahlt wurde. Im Kongo waren
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