Der Unterhändler
Quinn nahm die Treppe und schloß auf.
Das Badezimmer war für den Hinterhalt am besten geeignet. Die Tür befand sich in einer Ecke des Zimmers, und von dort aus hatte er alles im Schußfeld, besonders die Tür zum Korridor. Er schraubte aus der Deckenlampe im Zimmer die Birne heraus, nahm einen Stuhl und stellte ihn ins Badezimmer. Er ließ die Tür einen Spalt breit offen und begann seine Nachtwache. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er das ganze Zimmer draußen deutlich vor sich. Es war schwach erhellt vom Licht, das von der Straße durch die Fenster – er hatte die Vorhänge nicht zugezogen – hereindrang.
Es wurde 6 Uhr, und niemand war gekommen; er hatte keine Schritte draußen im Korridor gehört. Um halb sieben brachte der Nachtportier einem Frühaufsteher weiter vorne am Korridor Kaffee; Quinn hörte die Schritte an der Tür vorbeikommen und dann wieder zurück zur Treppe nach unten ins Vestibül. Niemand kam herein, niemand versuchte hereinzukommen.
Um 8 Uhr überströmte ihn ein Gefühl der Erleichterung. Um zwanzig nach acht ging er, zahlte seine Rechnung und nahm ein Taxi zurück zum H ôtel du Colisée. Sam war im Zimmer und beinahe außer sich vor Sorge.
»Quinn, zum Teufel, wo warst du denn? Ich habe mir fürchterliche Sorgen gemacht. Ich bin um fünf aufgewacht … du warst nicht da … mein Gott, wir haben das Treffen versäumt!«
Er hätte lügen können, war aber von echter Reue erfüllt. Er erzählte ihr, war er getan hatte. Sie sah aus, als hätte er sie ins Gesicht geschlagen.
»Du dachtest, daß ich es war«, flüsterte sie. Ja, gab er zu, nach dem Tod von Marchais und Pretorius habe ihn der Gedanke verfolgt, daß irgend jemand den oder die Killer heimlich benachrichtigte; wie sonst hätten sie es schaffen können, vor ihnen, Sam und Quinn, an die untergetauchten Söldner heranzukommen. Sie schluckte schwer, faßte sich wieder und verbarg, wie sehr sie getroffen war.
»Okay, und wann ist das wirkliche Treffen, wenn ich fragen darf? Das heißt, wenn du mir jetzt genug vertraust.«
»In einer Stunde, um zehn«, sagte er. »In einer Kneipe abseits der Rue de Chalon, gleich hinter der Gare de Lyon. Es ist ein schönes Stück bis dahin. Brechen wir auf.«
Wieder fuhren sie mit dem Taxi. Während es die Kais längs der Nordseite der Seine vom Nordwesten zum Südosten der Stadt dahinfuhr, saß Sam schweigend im Fond. Quinn bat den Fahrer, an der Ecke der Rue de Chalon und der Passage de Gatbois anzuhalten. Den Rest des Weges gingen sie zu Fuß.
Die Rue de Chalon verläuft parallel zu den Bahngleisen, die von der Gare de Lyon in Richtung Südfrankreich wegführen. Über die Mauer drang zu ihnen das Rattern von Zügen, die über die zahlreichen Weichen außerhalb des Bahnhofs rollten. Es war eine verkommene Straße.
Von der Rue de Chalon führten mehrere enge Straßen, jede Passage genannt, zur verkehrsreichen Avenue Daumesnil. Eine Straße weiter von der Stelle, wo Quinn den Taxifahrer bezahlt hatte, fand er die Straße, die er suchte, die Passage de Vautrin. Er bog in sie ein.
»Das ist vielleicht ein verrottetes Viertel«, bemerkte Sam.
»Yeah, er hat es ausgesucht. Der Treffpunkt ist eine Kneipe.«
In der Straße gab es zwei Bars, und keine von beiden war eine Konkurrenz für die im Ritz.
Chez Hugo war die zweite, auf der anderen Straßenseite und von der ersten rund fünfzig Yards entfernt. Quinn drückte die Tür auf. Der Tresen war links von ihm, rechts standen zwei Tische neben dem Fenster zur Straße, das mit dichten Spitzenvorhängen verhängt war. An den beiden Tischen saß niemand. Die ganze Kneipe war leer, bis auf den unrasierten Besitzer, der sich hinter der Theke an seiner Espressomaschine zu schaffen machte. Mit der offenen Tür hinter sich und Sam im Eingang gab Quinn ein ausgezeichnetes Ziel ab, und er wußte es auch. Dann sah er den einzigen Gast in dem Lokal. Ganz hinten, allein an einem Tisch sitzend, eine Tasse Kaffee vor sich, starrte er Quinn an.
Quinn ging, gefolgt von Sam, durch den Raum. Der Mann rührte sich nicht. Abgesehen davon, daß sein Blick ganz kurz Sam streifte, ließ er Quinn nicht aus den Augen. Schließlich stand Quinn vor ihm und blickte auf ihn hinab. Zack trug eine Kordsamtjacke und ein Hemd mit offenem Kragen. Gelichtetes rotblondes Haar, Ende vierzig, eine magere, gemeine Visage, von Pockennarben entstellt.
»Zack?« sagte Quinn.
»Yeah. Setz dich. Wer ist sie?«
»Meine Partnerin. Wenn ich bleibe,
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