Der Unterhändler
seinerzeit mehrere Söldner von ihresgleichen abgemurkst worden. Seine Gedanken beschäftigten sich mit der doppelten Zufallsfügung: Er und Sam hatten Marchais ein paar Stunden nach seinem Tod gefunden; zu ihrem Glück war kein Polizist in der Nähe gewesen. Aber wäre ihnen nicht zufällig vor Arnheim dieser Unfall passiert, dann wären sie eine Stunde nach Pretorius’ Tod mit einem geladenen Revolver in seiner Kneipe gewesen. Wochenlang hätten sie in Untersuchungshaft gesessen, während die Polizei von Hertogenbosch ermittelte.
Er bog von der King’s Road nach links in die Beaufort Street ab, fuhr auf die Battersea Bridge zu und geriet gleich darauf in einen Verkehrsstau. Ein Rückstau ist im Londoner Verkehr keine Seltenheit, aber zu dieser Stunde in einer Nacht im Herbst hätte man in Richtung Süden eigentlich freie Fahrt haben müssen.
Die Reihe der Fahrzeuge, in der er sich befand, rückte langsam vorwärts, und er sah einen Bobby, wie er die Autos um eine Reihe von Leitkegeln herumdirigierte, mit denen die linke Spur blockiert war. Abwechselnd mußten die nach Norden und nach Süden fahrenden Autos die Rechtsspur benutzen.
Als sie das Hindernis erreichten, das die Straße blockierte, sahen Quinn und Sam zwei Streifenwagen, auf deren Dächern sich die Blaulichter drehten. Zwischen ihnen stand ein geparkter Krankenwagen, dessen Türen offenstanden. Zwei Helfer stiegen gerade hinten mit einer Bahre aus und näherten sich einer formlosen Masse auf dem Gehsteig, unter einer Decke den Blicken entzogen.
Der Verkehrspolizist winkte ihnen ungeduldig zu, sie sollten weiterfahren. Sam linste zu dem Gebäude hinauf, vor dem die zugedeckte Gestalt auf dem Gehsteig lag. Die Fenster in der obersten Etage waren geöffnet, und aus einem streckte ein Polizist den Kopf heraus und schaute nach unten.
»Da scheint jemand aus dem achten Stock gestürzt zu sein«, bemerkte sie. »Oben schaut die Polente aus einem offenen Fenster.«
Quinn knurrte etwas und konzentrierte sich darauf, nicht auf das Auto vor ihm aufzufahren, dessen Fahrer ebenfalls zur Unfallstelle hinglotzte. Sekunden später war die Straße wieder frei, und Quinn beschleunigte den Opel, als er über die Themsebrücke fuhr. Hinter ihm blieb die Leiche eines Mannes zurück, von dem er nie gehört hatte und niemals hören würde: die Leiche von Andy Laing.
»Wohin fahren wir jetzt?« fragte Sam.
»Nach Paris«, antwortete Quinn.
Eine Rückkehr nach Paris war für Quinn wie eine Heimkehr. Obwohl er sich in London länger aufgehalten hatte, nahm Paris in seinem Herzen einen besonderen Platz ein.
Dort hatte er sich um Jeanettes Gunst bemüht und sie errungen; dort hatte er sie geheiratet. Zwei Jahre voll Seligkeit hatten sie in einer kleinen Wohnung, ein paar Schritte abseits der Rue de Grenelle verlebt. Im Amerikanischen Krankenhaus in Neuilly war ihre Tochter zur Welt gekommen.
Er kannte viele Lokale in Paris, Dutzende von Bars, in denen er nach dem Tod Jeanettes und ihrer kleinen Sophie auf der Autobahn nach Orleans versucht hatte, mit Alkohol seinen Schmerz zu betäuben. Er war glücklich gewesen in Paris, im siebenten Himmel, hatte in Paris die Hölle erlebt, war im Rinnstein aufgewacht – er kannte die Stadt.
Sie verbrachten die Nacht in einem Motel kurz vor Ashford, erreichten das Hovercraft-Boot, das um 9 Uhr von Folkestone nach Calais abging, und trafen rechtzeitig zum Mittagessen in Paris ein.
Quinn nahm für sich und Sam ein Zimmer in einem kleinen Hotel unweit der Champs-Elysees und verschwand mit dem Wagen, um ihn irgendwo zu parken. Das VIII . Arrondissement nimmt durch vieles für sich ein, allerdings nicht durch ein üppiges Angebot an Parkmöglichkeiten. Den Wagen vor dem H ôtel du Colisée, in der gleichnamigen Straße, abzustellen, wäre eine Aufforderung an die Polizei gewesen, ihm eine Parkkralle zu verpassen. So fuhr er zu der rund um die Uhr geöffneten Tiefgarage in der Rue Chauveau-Lagarde, gleich hinter der Madeleine, und nahm ein Taxi zurück zum Hotel. Er hatte ohnedies vor, Taxis zu benutzen. In der Gegend um die Madeleine bemerkte er zwei Dinge, die er vielleicht brauchen würde.
Nach dem Mittagessen fuhren Quinn und Sam zum Verlagsgebäude der International Herald Tribune in Neuilly, Avenue Charles de Gaulle Nr. 181.
»Leider ist es für die morgige Ausgabe zu spät«, sagte das Mädchen am Schreibtisch in der Halle. »Sie werden mit übermorgen vorliebnehmen müssen. Inserate können nur dann am nächsten Tag
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