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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Myra Cormack stand neben ihm. Sie drückte den Kopf ihres schwergeprüften Mannes an sich und wiegte ihn langsam und sanft.
    Sie wußte, ihr Ehemann war ins Herz getroffen und nicht mehr lange imstande, die Bürde seines Amtes zu tragen. Sie wußte, der Grund dafür war ebenso sehr wie Simons Tod – wenn nicht noch mehr – die fassungslose Bestürzung darüber, daß er nicht wußte, von wem oder warum die Tat begangen worden war. Wäre der Junge durch einen Verkehrs- oder einen Sportunfall ums Leben gekommen, so glaubte sie, hätte sich John Cormack mit der Logik oder auch mit der Unlogik eines solchen Todes abfinden können. Die Art und Weise, wie Simön gestorben war, hatte den Vater ebenso tödlich getroffen, wie wenn diese satanische Bombe an seinem eigenen Körper explodiert wäre.
    Sie glaubte, daß es darauf nie eine Antwort geben werde und war überzeugt, daß ihr Gatte so nicht weitermachen könne. Es war so weit gekommen, daß das Weiße Haus und das Amt ihres Ehemannes, auf das sie so stolz gewesen war, sie mit Haß erfüllten. Sie hatte jetzt nur einen einzigen Wunsch für ihn: daß er die Bürde dieses Amtes niederlegen und mit ihr nach New Haven zurückkehren möge, damit sie ihn durch seine späten Jahre umsorgen konnte.
    Der Brief, den Quinn an Sam unter der Adresse ihrer Eigentumswohnung in Alexandria aufgegeben hatte, wurde prompt abgefangen, ehe sie ihn zu sehen bekam, und triumphierend dem Komitee im Weißen Haus gebracht, das sich versammelte, um den Inhalt zu erfahren und über die Implikationen zu beraten. Philip Kelly und Kevin Brown erschienen damit wie mit einer Trophäe im Situationsraum.
    »Ich muß zugeben, meine Herren«, sagte Kelly, »daß ich nur mit stärkstem Vorbehalt eine meiner eigenen bewährten Agentinnen unter eine derartige Überwachung stellen ließ. Aber Sie werden mir wohl zustimmen, daß es sich gelohnt hat.«
    Er legte den Brief vor sich auf den Tisch.
    »Dieser Brief, meine Herren, wurde gestern aufgegeben, hier in Washington. Das ist nicht unbedingt ein Beweis dafür, daß Quinn sich in der Stadt oder auch in den Staaten aufhält. Es ist möglich, daß jemand anderes ihn an seiner Stelle aufgegeben hat. Aber so, wie ich Quinn einschätze, ist er ein Einzelgänger. Wie es ihm gelang, aus London zu verschwinden und hier aufzutauchen, wissen wir nicht. Doch meine Kollegen und ich sind der Ansicht, daß er diesen Brief selbst aufgegeben hat.«
    »Lesen Sie ihn vor«, befahl ihm Odell.
    »Er ist … äh … einigermaßen dramatisch«, begann Kelly. Er rückte seine Brille zurecht und begann vorzulesen.
    »›Sam, mein Liebling …‹ Diese Anrede spricht wohl dafür, daß mein Kollege Kevin Brown recht hatte; zwischen Miss Somerville und Quinn bestand eine Beziehung, die über die notwendige professionelle hinausging.«
    »Okay, also hat sich Ihre Jägerin in die Beute verliebt«, sagte Odell. »Was schreibt er?«
    Kelly las weiter.
    »Endlich bin ich wieder hier in den Vereinigten Staaten. Ich würde Dich zu gerne bald wiedersehen, fürchte aber, daß es im Augenblick zu riskant wäre.
    Ich schreibe Dir, um richtigzustellen, was ich über die Ereignisse in Korsika erzählt habe. Die Wahrheit ist, daß ich Dich angelogen habe, als ich Dich vom Flughafen Ajaccio aus anrief. Ich dachte mir, wenn ich Dir erzähle, was dort unten wirklich passiert ist, würdest Du denken, es wäre für Dich zu riskant, nach Hause zu fliegen. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu der Ansicht, daß Du ein Recht darauf hast, die Wahrheit zu erfahren. Versprich mir nur eines: Behalte alles für Dich, was Du in diesem Brief liest. Niemand darf etwas davon erfahren, zumindest vorläufig. Nicht, bevor ich das, was ich jetzt vorhabe, hinter mich gebracht habe. In Wirklichkeit haben wir uns eine Schießerei geliefert. Ich hatte keine andere Wahl; irgend jemand hatte ihn angerufen und behauptet, ich sei nach Korsika unterwegs, um ihn zu töten, während ich nur mit ihm sprechen wollte. Er bekam eine Kugel aus meinem – oder vielmehr Deinem – Revolver ab, die ihn aber nicht tötete. Als er erfuhr, daß er hereingelegt worden war, wurde ihm klar, daß sein Schweigegelöbnis ihn nicht mehr band. Er erzählte mir alles, was er wußte, und das hatte es in sich!
    Als erstes: Hinter dieser Geschichte standen nicht die Russen oder zumindest nicht die sowjetische Regierung. Die Verschwörung begann hier in den Vereinigten Staaten. Die wirklichen Auftraggeber sind noch nicht ans Licht

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