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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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fuhren nach St.   Johnsbury zurück. Quinn gab seinen Namen und seine Staatsbürgerschaft an und zahlte im voraus.
    Der Makler war entweder zu höflich oder zu wenig interessiert, um zu fragen, warum ein Quebecois in Vermont eine Zuflucht suchte, wo es doch in Quebec selbst viele stille Orte gab.
    Quinn registrierte mehrere öffentliche Telefonzellen, die er tagsüber oder in der Nacht benutzen konnte, und blieb die Nacht über in einem Hotel des Ortes. Am Vormittag lud er alles, was er brauchte, in seinen Jeep und fuhr wieder ins Gebirge zurück.
    Einmal, als er nach North Danville anhielt, um sich zu orientieren, glaubte er, das Geräusch eines Motors hinter sich im Tal gehört zu haben, kam aber zu dem Schluß, es müsse aus dem Dorf gekommen oder sein eigenes Echo gewesen sein.
    Er machte Feuer, und die Hütte taute langsam auf. Der tüchtige Ofen ballerte hinter den Stahltüren, und als Quinn sie öffnete, war ihm, als blickte er in das Feuer eines Hochofens. Das Wasser im Tank, das gefroren gewesen war, wurde heiß, wärmte die Heizkörper in den vier Räumen der Hütte und den Zusatztank fürs Waschen und Baden. Am Mittag krempelte er die Hemdsärmel hoch, weil er die Hitze spürte. Nach dem Mittagessen nahm er sein Beil und hackte so viele von den hinter der Hütte aufgestapelten Fichtenholzscheiben zu Scheiten, bis er Vorrat für eine Woche hatte.
    Er hatte einen Radioapparat gekauft, aber in der Hütte gab es weder Telefon noch Fernsehen. Als er sich für eine Woche gerüstet hatte, setzte er sich an seine neue Reiseschreibmaschine und begann zu tippen. Am Tag darauf fuhr er nach Montpelier und flog von dort nach Boston und weiter nach Washington.
    Sein Ziel war Union Station an der Massachusetts Avenue, einer der elegantesten Bahnhöfe in Amerika, noch schimmernd im Glanz seiner vor kurzem durchgeführten Renovierung. Ein Teil der Anlage, so wie er sich aus früheren Jahren erinnerte, war zwar verändert worden, aber wie immer liefen die Gleise aus der Wartehalle im Souterrain unter der Haupthalle hinaus.
    Er fand, was er suchte, gegenüber den Bahnsteigen H und J . Zwischen der Tür zur Wache der Bahnpolizei und der Damentoilette stand eine Reihe von Telefonzellen. Jede hatte eine Nummer, die mit 789 begann; er notierte sich alle acht, gab seinen Brief auf und ging davon.
    Wahrend sein Taxi durch die 14. Straße in Richtung auf den Potomac und den Washington National Airport fuhr, sah Quinn rechts von sich die große Kuppel des Weißen Hauses. Der Gedanke ging ihm durch den Kopf, wie es dem Mann ergehen mochte, der in dem Gebäude unter der Kuppel wohnte, dem Mann, der gesagt hatte: »Bringen Sie ihn uns zurück«, und den er enttäuscht hatte.
    In dem Monat, der seit dem Begräbnis ihres Sohnes vergangen war, hatte sich mit den Cormacks und ihrer Beziehung zueinander eine Veränderung vollzogen, die nur ein Psychiater hätte erklären können.
    Während Simons Gefangenschaft war es dem Präsidenten, obwohl er durch die seelische Belastung, den Kummer, die bange Sorge und die Schlaflosigkeit geschwächt war, noch immer gelungen, seine Fassung zu bewahren. Als aus London Berichte eintrafen, die einen Austausch Simons gegen das Lösegeld als demnächst bevorstehend erscheinen ließen, hatte der Präsident sich anscheinend etwas erholt. Seine Frau hingegen, weniger intellektuell und nicht von Regierungsaufgaben abgelenkt, hatte sich ganz dem Schmerz und beruhigenden Medikamenten überlassen.
    Doch seit jenem schrecklichen Tag auf Nantucket, als sie ihren einzigen Sohn der kalten Erde übergeben hatten, hatten Vater und Mutter des Toten in einer subtilen Weise die Rollen getauscht. Myra Cormack hatte am Grab, an der Brust des Secret-Service-Mannes, und auf dem Rückflug nach Washington ihrem Schmerz in Tränen freien Lauf gelassen. Doch allmählich schien sie sich von dem schweren Schlag zu erholen. Vielleicht war ihr bewußt geworden, daß sie nach dem Verlust eines Kindes, das auf sie angewiesen gewesen war, ein anderes geerbt hatte, ihren Ehemann, der noch nie vorher von ihr abhängig gewesen war.
    Ihr beschützender, mütterlicher Instinkt schien ihr eine innere Stärke zu geben, die dem Mann versagt blieb, an dessen Intelligenz und Willenskraft sie nie gezweifelt hatte. Als Quinns Taxi an diesem Winternachmittag an den Mauern vorüberfuhr, die den Komplex des Weißen Hauses umgeben, saß John Cormack in seinem privaten Arbeitszimmer zwischen dem gelben ovalen Zimmer und dem Schlafzimmer am Schreibtisch.

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