Der Unterhändler
eine Massendesertion hätte ihm gerade noch gefehlt. Kurz nach Tagesanbruch landete ein amerikanischer Militärhubschrauber im Camp, und ein untersetzter dunkelhaariger Mann stieg aus, bei dem es sich um den neuernannten stellvertretenden Chef der lateinamerikanischen Sektion der CIA handelte, der zufällig auf einer Besichtigungstour durch seinen neuen Amtsbezirk war. Rivas eskortierte den Amerikaner in den Busch, und auch sie kamen nach ein paar Minuten zurück.
Irving Moss erwachte, weil jemand gegen die Beine seines Feldbetts trat. Mit trüben Augen sah er einen Mann in einem grünen Kampfanzug, der auf ihn herabschaute.
»Moss, Sie fliegen raus«, sagte der Mann.
»Wer zum Teufel sind Sie?« fragte Moss. Er erfuhr es. »Ach, einer von denen«, sagte er verächtlich.
»Genau, einer von denen. Und Sie fliegen raus. Aus Honduras und aus der CIA .« Er zeigte Moss ein Schreiben.
»Das ist nicht von Langley«, protestierte Moss.
»Nein«, sagte der Mann, »das ist von mir. Und ich komme von Langley. Packen Sie Ihr Zeug zusammen und sehen Sie zu, daß Sie in den Hubschrauber kommen.«
Eine halbe Stunde später sah David Weintraub zu, wie der Helikopter in den Morgenhimmel entschwebte. In Tegucigalpa mußte sich Moss beim Stationschef melden, der kalt und abweisend war und ihn persönlich zu der Maschine begleitete, die ihn nach Miami und dann nach Washington brachte. Langley bekam er gar nicht mehr zu sehen. In Washington wurde er am Flughafen abgeholt, man händigte ihm seine Papiere aus und gab ihm den guten Rat, sich nie mehr blicken zu lassen. Fünf Jahre arbeitete er als gefragter Spezialist für, immer unappetitlichere nahöstliche und zentralamerikanische Diktatoren, und dann organisierte er Drogentransporte für Noriega von Panama. Das war ein Fehler. Die amerikanischen Drogenfahnder setzten ihn auf ihre Liste der meistgesuchten Personen.
Eines Tages im Jahre 1988 traten ihm auf dem Londoner Flughafen Heathrow zwei verdächtig höfliche britische Gesetzeshüter in den Weg und baten ihn um eine kurze Unterredung. Die »Unterredung« betraf eine versteckte Handfeuerwaffe in seinem Gepäck. Das normale Auslieferungsverfahren wurde in Rekordzeit abgewickelt, und drei Wochen später betrat er wieder amerikanischen Boden. Er bekam drei Jahre. Da er nicht vorbestraft war, hätte er durchaus in eine »weiche« Haftanstalt kommen können. Aber während er noch auf sein Urteil wartete, trafen sich zwei Männer in aller Stille zum Lunch in Washingtons exklusivem Metropolitan Club.
Der eine war ein untersetzter Mann namens Weintraub, der inzwischen zum stellvertretenden Einsatzleiter der CIA aufgestiegen war. Der andere war Oliver »Buck« Revell, ein hochgewachsener ehemaliger Marineflieger, der es zum verantwortlichen stellvertretenden Direktor der Ermittlungen beim FBI gebracht hatte. In seiner Jugend war er außerdem Football-Spieler gewesen, aber nicht lange genug dabeigeblieben, um sich das Gehirn zermanschen zu lassen. Etliche Leute im Hoover Building waren sogar der Meinung, daß es noch recht gut funktionierte. Weintraub wartete ab, bis Revell mit seinem Steak fertig war, und zeigte ihm dann eine Akte und ein paar Fotos. Revell blätterte die Akte durch und sagte einfach: »Ich verstehe.« Unerklärlicherweise mußte Moss seine drei Jahre in El Reno absitzen, wo auch einige der brutalsten Mörder, Vergewaltiger und Erpresser untergebracht waren, die in Amerika hinter Schloß und Riegel sitzen. Als er entlassen wurde, war er besessen von einem krankhaften Haß auf die CIA , das FBI und die Briten, um nur die drei Wichtigsten zu nennen.
Auf dem Flugplatz Wiley Post wurde die Limousine durch das Haupttor gewinkt und hielt neben einem wartenden Learjet. Außer ihrer Zulassungsnummer, die Moss sich sofort einprägte, trug die Maschine keine Aufschrift. Binnen fünf Minuten war sie in der Luft und flog in eine Richtung, die von einem exakten Südkurs nur geringfügig nach Westen abwich. Moss konnte die ungefähre Flugrichtung nach dem Stand der Morgensonne bestimmen. Es ging nach Texas, soviel war klar.
Am Stadtrand von Austin beginnt das von den Texanern so genannte Hill Country, und hier hatte der Besitzer der Pan Global seinen Landsitz, ein achttausend Hektar großes Anwesen in den Vorbergen. Von dem Haus, das nach Südosten ausgerichtet war, hatte man einen weiten Blick über die große texanische Ebene zum entfernten Galveston und dem Golf hin. Abgesehen von einer Vielzahl von Unterkünften für das
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