Der Unterhändler
mit der eindrucksvollen, überzeugenden Sprache und dem scheinbar volkstümlichen Südweststaatler zog die entscheidenden Stimmen der schwarzen, hispano-amerikanischen und irischen Wähler auf sich und gewann. Seit seinem Amtsantritt hatte Cormack Odell bewußt in die Entscheidungsbildung auf höchster Ebene einbezogen. Nun saßen sie sich gegenüber, um über einen Vertrag zu reden, von dem Cormack wußte, daß Odell ihn entschieden ablehnte. Auf der Seite des Präsidenten saßen vier weitere enge Vertraute: Außenminister Jim Donaldson, Justizminister Bill Walters, Hubert Reed, der Finanzminister und Morton Stannard, der Verteidigungsminister.
Zu beiden Seiten von Odell saßen Brad Johnson, ein hochintelligenter Schwarzer aus Missouri, der an der Cornell University Verteidigungspolitik gelehrt hatte und jetzt Nationaler Sicherheitsberater war, und Lee Alexander, Direktor der CIA , der ein paar Monate nach Beginn von Cormacks Amtsperiode Richter Bill Webster abgelöst hatte. Er war mit von der Partie, weil sich Amerika in dem Fall, daß die Russen vertragsbrüchig wurden, über seine Satelliten und seine Nachrichtendienste mit ihren Agenten am Boden in kürzester Zeit einen Überblick verschaffen mußte.
Als die acht Männer den endgültigen Vertragstext lasen, hatte keiner von ihnen die geringsten Zweifel, daß es sich dabei um eines der umstrittensten Abkommen handelte, das die Vereinigten Staaten je unterzeichnet hatten. Im Lager der Rechten und in der Rüstungsindustrie und ihren Zulieferbranchen regte sich bereits heftiger Widerstand. Im Jahre 1988, unter Reagan, hatte das Pentagon sich bereit erklärt, die geplanten Ausgaben um 33 Milliarden Dollar zu kürzen und dadurch den Verteidigungsetat auf 299 Milliarden Dollar zu senken. Für die Haushaltsjahre 1990 bis 1994 sollten die Streitkräfte ihre geplanten Ausgaben um 37,1, 41,3, 45,3 und 50,7 Milliarden Dollar kürzen. Dadurch wäre jedoch lediglich der Anstieg der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent pro Jahr begrenzt worden. Der Nantucket-Vertrag sah dagegen erhebliche absolute Kürzungen der Verteidigungsausgaben vor, und da schon die Zuwachsbegrenzungen Probleme verursacht hatten, würde der Nantucket-Vertrag unweigerlich einen Sturm der Entrüstung auslösen.
Der Unterschied war, wie Cormack wiederholt betonte, daß den früheren Beschränkungen der Zuwachsraten keine entsprechenden Kürzungen der Sowjetunion gegenüberstanden. Auf Nantucket hatte sich Moskau dagegen bereit erklärt, seine eigenen Streitkräfte in einem nie dagewesenen Ausmaß zu verringern. Cormack wußte außerdem, daß die Supermächte kaum eine andere Wahl hatten. Seit seinem Amtsantritt hatten er und Reed mit Amerikas ständig steigenden Haushalts- und Handelsbilanzdefiziten zu kämpfen gehabt. Sie drohten außer Kontrolle zu geraten und den Wohlstand nicht nur der Vereinigten Staaten, sondern der gesamten westlichen Welt zu gefährden. Er hatte sich der Diagnose seiner eigenen Experten angeschlossen, daß die Sowjetunion aus anderen Gründen in derselben Lage sei, und Michail Gorbatschow reinen Wein eingeschenkt: Ich muß kürzen, und Sie müssen umverteilen. Die Russen hatten es übernommen, die übrigen Staaten des Warschauer Pakts zu überzeugen; Cormack hatte die NATO für seine Pläne gewonnen, zuerst die Deutschen, dann die Italiener, die kleineren Mitgliedsländer und schließlich die Briten. Und dies waren die wesentlichen Bestimmungen des Vertrages: Land: Die Sowjetunion erklärte sich bereit, ihr stehendes Heer in der Deutschen Demokratischen Republik, also die potentiellen Invasionskräfte für einen Angriff nach Westen über die Norddeutsche Tiefebene, um die Hälfte ihrer einundzwanzig Kampfdivisionen in allen Kategorien zu verringern. Die Einheiten sollten nicht aufgelöst, sondern hinter die polnisch-sowjetische Grenze zurückgezogen und nicht wieder nach Westen verlegt werden. Dies seien alles Divisionen der Kategorie 1. Darüber hinaus würde die Sowjetunion die Personalstärke ihres gesamten Heeres um 40 Prozent verringern. Kommentare? fragte der Präsident. Stannard vom Pentagon, der naturgemäß die stärksten Vorbehalte gegen den Vertrag hatte – die Presse hatte schon Mutmaßungen über seinen bevorstehenden Rücktritt angestellt –, schaute auf.
»Für die Sowjets ist das der wichtigste Teil des Vertrages, weil für sie das Heer die älteste und wichtigste Teilstreitkraft ist«, sagte er, womit er den Vorsitzenden des Führungsstabes der
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