Der Unterhändler
jemand neben dem Studenten, und er drehte sich um. Er war groß und schlaksig, sie klein mit dunklen, leuchtenden Augen und pummelig wie ein Rebhuhn. »Ich bin Jenny. Ich glaube, wir haben denselben Tutor.«
Der einundzwanzig Jahre alte Student, der nach zwei Studienjahren in Yale im Rahmen eines Austauschprogramms für ein Jahr nach Oxford gekommen war, grinste.
»Hi, ich bin Simon.«
Sie gingen zum Eingang des Colleges hinüber, und der junge Mann schob sein Fahrrad. Er war tags zuvor schon einmal hier gewesen, um sich beim Rektor vorzustellen, aber da war er mit dem Auto gekommen. In der Mitte des überwölbten Durchgangs stellte sich ihnen die liebenswürdige, aber gestrenge Gestalt Tim Ward-Barbers in den Weg.
»Wohl neu am College, Sir?« fragte er.
»Äh, ja«, sagte Simon. »Den ersten Tag, sozusagen.«
»Nun, dann wollen wir einmal die erste Regel lernen, an die sich hier alle halten müssen. Niemals, unter keinen Umständen, auch nicht betrunken, unter Drogen oder im Halbschlaf, schieben, tragen oder fahren wir unsere Fahrräder durch den Bogen in den Innenhof, Sir. Bitte stellen Sie es zu den anderen dort an der Wand.«
An Universitäten gibt es Kanzler, Rektoren, Dekane, Schatzmeister, Professoren, Dozenten, Fellows, Lehrbeauftragte, Assistenten und andere, die den verschiedensten Hackordnungen unterworfen sind. Aber der Oberpförtner eines Colleges gehört unbestritten zur Oberliga. Als ehemaliger Unteroffizier bei den 16/5th Lancers hatte Ward-Barber seine Erfahrungen mit Rekruten. Als die beiden zurückkamen, nickte er gütig und sagte: »Sie wollen zu Dr. Keen, nehme ich an. In der Ecke des Hofs, die Treppen ganz hinauf.«
Als sie in das vollgestopfte Zimmer ihres Tutors für Geschichte des Mittelalters traten und sich vorstellten, nannte Jenny ihn »Professor«, und Simon sprach ihn mit »Sir« an. Dr. Keen strahlte sie über seine Brille hinweg an.
»Also«, sagte er fröhlich, »es gibt zwei Dinge, und nur zwei, die ich nicht dulde. Das eine ist, daß Sie Ihre und meine Zeit vergeuden, das andere, daß mich jemand mit ›Sir‹ anredet. ›Dr. Keen‹ reicht fürs erste völlig, und später promovieren wir dann zu ›Maurice‹. Ach übrigens, Jenny, ich bin auch kein Professor. Professoren haben Lehrstühle, und wie Sie sehen, habe ich noch nicht einmal einen normalen Stuhl, jedenfalls keinen, der nicht kaputt wäre.«
Er zeigte unbekümmert auf das Sortiment gebrechlicher Polstermöbel, auf denen seine Studenten saßen, und bat die beiden, es sich bequem zu machen. Simon ließ sich in einem Queen-Anne-Sessel ohne Beine nieder, in dem er eine Handbreit über dem Boden saß, und gemeinsam begannen sie über Jan Hus und die hussitische Revolution im mittelalterlichen Böhmen nachzudenken. Simon grinste. Er wußte, es würde ihm in Oxford gefallen.
Es war purer Zufall, daß Cyrus V . Miller bei einer Wohltätigkeits-Dinnerparty in Austin, Texas, neben Lionel Cobb zu sitzen kam. Er verabscheute solche Essen und drückte sich normalerweise vor ihnen; dieses wurde jedoch für einen örtlichen Politiker veranstaltet, und Miller wußte, wie wertvoll es war, überall in der Politik Gutes zu tun, um später, wenn man seinerseits einen Gefallen brauchte, darauf zurückkommen zu können. Er war entschlossen, seinen Nebenmann, der nicht im Ölgeschäft war, zu ignorieren, bis Cobb eine Bemerkung fallen ließ, aus der hervorging, daß er den Nantucket-Vertrag und den Mann dahinter, John F . Cormack, radikal ablehnte.
»Dieser gottverfluchte Vertrag darf nicht zustande kommen«, sagte Cobb. »Man muß den Kongreß irgendwie dazu bringen, daß er ihn nicht ratifiziert.«
Die Nachricht des Tages war, daß der Vertrag im letzten Entwurfsstadium sei, im April von den Botschaftern in Washington und Moskau paraphiert, nach der Sommerpause im Oktober in Moskau vom Zentralkomitee ratifiziert und noch vor Jahresende dem Kongreß vorgelegt werden würde.
»Glauben Sie denn, der Kongreß wird ihn ablehnen?« fragte Miller vorsichtig. Der Rüstungsindustrielle sah düster in sein fünftes Glas.
»Nein«, sagte er. »Tatsache ist, daß der Mann auf der Straße Abrüstung immer phantastisch findet und daß Cormack mit seinem Charisma es notfalls fertigbringt, die Sache allein durchzuboxen. Ich kann den Kerl nicht ausstehen, aber so ist es nun mal.«
Miller bewunderte seinen Realismus im Angesicht der Niederlage. »Kennen Sie schon die Einzelheiten des Abkommens?« fragte er ihn.
»Nicht alles, aber
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