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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Beamten bei der Arbeit.
    »Es hat den Anschein, daß London den Fall an sich ziehen will«, sagte der Chief Constable. Der ACC knurrte nur. Es war eine Brüskierung, aber auch die Befreiung von einer teuflischen Verantwortung. Die Untersuchung des bisherigen Ablaufs würde peinlich genug ausfallen, aber wenn dann auch noch jeder Erfolg ausblieb … »Nein, verstehen Sie doch, in Whitehall meint man anscheinend, die hätten unseren Bezirk schon verlassen. Könnte sein, daß man höherenorts lieber die Metropolitan Police damit beauftragen möchte. Weiß die Presse schon was?«
    Der ACC schüttelte den Kopf.
    »Noch nicht, Sir. Aber lange wird’s nicht mehr dauern.«
    Er wußte nicht, daß die Frau mit dem Hund, die von den beiden Streifenpolizisten um 7.16   Uhr weggeschickt worden war, zwei der drei Leichen gesehen hatte, in höchster Aufregung nach Hause gelaufen war und es ihrem Mann gesagt hatte. Und auch nicht, daß dieser Mann Drucker bei der Oxford Mail war. Obwohl er zur Technik gehörte, hielt er es für angebracht, die Sache dem Redakteur vom Dienst zu melden, als er zur Arbeit kam.
    Der Anruf von Downing Street wurde vom diensthabenden Beamten in der Fernmeldezentrale des Weißen Hauses angenommen, die im Souterrain des Executive Building liegt, im Westflügel, unmittelbar neben dem Situation Room. Als Zeit wurde 3.34   Uhr Ortszeit notiert. Als der Beamte hörte, wer es war, fand er sich widerstrebend bereit, den leitenden Secret-Service-Agenten der diensttuenden Schicht anzurufen.
    Der Mann vom Secret Service befand sich auf seinem Rundgang gerade in der Center Hall ganz in der Nähe der Privaträume im ersten Stock. Er hob ab, als das Telefon auf seinem Schreibtisch gegenüber dem vergoldeten Aufzug der First Family leise klingelte.
    »Was will sie?« flüsterte er in die Muschel. »Haben diese Briten eine Ahnung, wie spät es hier ist?«
    Er hörte noch eine Weile zu. Er konnte sich nicht erinnern, wann zum letztenmal jemand den Präsidenten zu so früher Stunde angerufen hatte. Sicher schon mal vorgekommen, dachte er – im Krieg, zum Beispiel. Vielleicht ging es auch diesmal um so etwas. Er konnte sich auf ein Donnerwetter von Burbank gefaßt machen, wenn er sich jetzt nicht richtig verhielt. Andererseits … die britische Premierministerin persönlich …
    »Ich lege jetzt auf und rufe zurück«, sagte er dem Mann in der Zentrale. London bekam den Bescheid, der Präsident werde geweckt; man solle dranbleiben. Das geschah. Der Mann vom Secret Service, der Lepinsky hieß, ging durch die Flügeltüren in die West Sitting Hall und an die Tür zum Schlafzimmer der Cormacks. Er blieb stehen, holte tief Luft und klopfte leise. Keine Antwort. Er drückte die Klinke herunter. Nicht abgeschlossen. Erfüllt von düstersten Vorahnungen, seine weitere Karriere betreffend, trat er ein. In dem großen Doppelbett erkannte er zwei schlafende Gestalten; er wußte, daß der Präsident näher am Fenster lag. Auf Zehenspitzen ging er um das Bett herum, erkannte den kastanienbraunen Pyjama und rüttelte den Präsidenten an der Schulter.
    »Mr.   President, Sir. Würden Sie bitte aufwachen, Sir?«
    John Cormack erwachte, erkannte den Mann, der verängstigt am Bettrand stand, sah zu seiner Frau hinüber und machte kein Licht.
    »Wie spät ist es, Mr.   Lepinsky?«
    »Kurz nach halb vier, Sir. Es tut mir wirklich leid … äh, Mr.   President, die britische Premierministerin ist am Telefon. Sie sagt, sie kann nicht warten. Es tut mir leid, Sir.«
    John F . Cormack überlegte einen Moment und schwang dann die Beine aus dem Bett, vorsichtig, um seine Frau nicht zu wecken. Lepinsky reichte ihm seinen Morgenmantel. Nach fast drei Jahren im Amt kannte Cormack die britische Premierministerin recht gut. Er war zweimal in England mit ihr zusammengetroffen – das zweite Mal während eines zweistündigen Zwischenaufenthalts auf dem Rückflug von Wnukowo –, und sie zwar zweimal in den Staaten gewesen. Sie waren beide resolute Menschen; sie verstanden sich gut. Wenn sie wirklich am Telefon war, mußte es etwas Wichtiges sein. Er konnte ja nachher weiterschlafen.
    »Gehen Sie wieder in die Center Hall zurück, Mr.   Lepinsky«, sagte er leise. »Machen Sie sich keine Sorgen, Sie haben sich völlig richtig verhalten. Ich nehme den Anruf in meinem Arbeitszimmer entgegen.«
    Das Arbeitszimmer des Präsidenten – er hat mehrere, aber nur eines im privaten Wohnbereich – befindet sich zwischen dem großen Schlafzimmer und dem

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