Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
Abendessen am Tag vor seinem Trainingslauf nichts mehr zu sich genommen hatte, und ohne zu überlegen, rief er ein »Danke« zur Tür hin. Noch im selben Augenblick hätte er sich am liebsten einen Tritt versetzt. Er sollte diesen Lumpen nicht auch noch danken. In seiner Unschuld ahnte er nicht, daß das »Stockholm-Syndrom« seine Wirkung zu entfalten begann, jene seltsame Empathie, die ein Opfer gegenüber seinen Peinigern entwickelt, bis es seine Wut nicht gegen die Entführer richtet, sondern gegen die staatlichen Organe, die zuließen, daß das alles geschah und noch geschieht.
    Er aß alles bis zum letzten Bissen auf, trank das Wasser langsam und mit großem Genuß und schlief dann ein. Eine Stunde später wiederholte sich das gleiche, nur daß diesmal das Tablett verschwand. Simon benutzte den Eimer zum viertenmal, legte sich dann wieder auf das Bett, dachte an zu Hause und versuchte sich vorzustellen, was man wohl für ihn unternähme.
    Während Simon auf dem Bett lag und nachdachte, kehrte Commander Williams aus Leicester nach London zurück und erstattete Nigel Cramer in dessen Dienstzimmer in New Scotland Yard Bericht. Praktischerweise ist der »Yard«, die Zentrale der Metropolitan Police, nur gute vierhundert Yards vom Cabinet Office entfernt.
    Der ehemalige Besitzer des Transit war auf der Hauptpolizeiwache in Leicester vorgeführt worden, ein verängstigter und, wie sich herausstellte, unschuldiger Mann. Er beteuerte, daß sein Transit weder gestohlen noch verkauft worden sei – er habe zwei Monate vorher einen Totalschaden gehabt. Als er damals umgezogen sei, habe er vergessen, es der Zulassungsstelle in Swansea zu melden.
    Schritt für Schritt hatte Commander Williams die Angaben nachgeprüft. Der Mann, ein Maurer, der auf eigene Rechnung arbeitete, hatte damals bei einem Händler im Süden Londons zwei Kaminverkleidungen aus Marmor abgeholt. Als er in der Nähe des Abbruchgrundstücks, woher die Kaminverkleidungen stammten, zu rasch um eine Ecke bog, geriet er mit einem Bagger aneinander. Der Bagger gewann. Der Transit, damals noch in seinem ursprünglichen Blau, mußte abgeschrieben werden. Die sichtbaren Schäden, hauptsächlich im Bereich des Kühlers, hielten sich zwar in Grenzen, aber das Fahrgestell war gestaucht worden.
    Er war ohne Fahrzeug nach Nottingham zurückgekehrt. Jemand von seiner Versicherung hatte den Transit auf dem Hof der Abschleppfirma begutachtet und für reparaturunfähig erklärt. Die Versicherung hatte es abgelehnt, ihm den Schaden zu ersetzen, weil er nicht vollkaskoversichert war und die Schuld an dem Zusammenstoß mit dem Bagger trug. Bekümmert hatte er zwanzig Pfund für das Wrack akzeptiert, die ihm die Abschleppfirma telefonisch anbot, und war seitdem nicht wieder in London gewesen.
    »Irgend jemand muß das Fahrzeug wieder fahrtüchtig gemacht haben«, sagte Williams.
    »Gut«, sagte Cramer, »das bedeutet, daß es eine krumme Sache ist. Das paßt. Die Leute im Labor sagen, irgend jemand hat sich mit einem Schweißbrenner am Fahrgestell zu schaffen gemacht. Außerdem ist die grüne Farbe auf den ursprünglich blauen Lack gespritzt worden. Dilettantisch darübergesprüht. Stellen Sie fest, wer das getan hat und an wen der Transit dann verkauft wurde.«
    »Ich fahre hinunter nach Balham«, sagte Williams. »Dort ist die Ausschlachtfirma.«
    Cramer wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Er hatte einen ganzen Berg davon, von einem Dutzend verschiedener Teams. Die Berichte der Experten lagen inzwischen alle vor und waren glänzend, soweit sie etwas erbrachten. Leider erbrachten sie nicht genug. Die aus den Leichen entfernten Kugeln paßten zu den Patronenhülsen aus der Skorpion, was nicht weiter überraschte. Aus der Gegend um Oxford hatten sich keine weiteren Zeugen gemeldet. Die Entführer hatten weder Fingerabdrücke, noch sonstige Spuren, außer denen von Reifen, hinterlassen. Die Reifenspuren des Transit waren zu nichts nütze – man hatte ja inzwischen das Fahrzeug, wenn auch in ausgebranntem Zustand. Niemand hatte irgendwelche Leute in der Nähe der Scheune gesehen. Anhand der Spuren der Limousine, die von der Scheune wegführten, waren Reifenhersteller und -modell identifiziert worden, aber die Abdrücke konnten zu einer Million Limousinen passen.
    Polizeitrupps aus einem Dutzend Grafschaften suchten bei Grundstückmaklern diskret nach einem abseits gelegenen Haus mit ausreichend Platz, das im vergangenen halben Jahr gemietet worden war. Die Metropolitan Police

Weitere Kostenlose Bücher