Der Unterhändler
Entschuldigung das silberne Tablett weg, hielt es als Spiegel hoch und musterte die Reihen hinter sich. Es dauerte sieben Sekunden. Dann dankte er der verblüfften Stewardeß und gab ihr das Tablett zurück.
»Wenn wir die Gurte öffnen können, gehn Sie mal hin und sagen dem jungen Spund aus Langley in Reihe siebzehn, er soll seinen Arsch hierher bewegen«, sagte er zu Agentin Somerville. Fünf Minuten später kam sie mit dem jungen Mann wieder. Er war hochrot im Gesicht, wischte sich das schlaffe Blondhaar aus der Stirn und brachte ein unschuldiges Jungengrinsen fertig.
»Tut mir leid, Mr. Quinn. Ich wollte mich nicht aufdrängen. Nur habe ich eben den Auftrag erhalten …«
»Ja, ich weiß Bescheid. Setzen Sie sich.« Er deutete auf einen unbesetzten Platz eine Reihe weiter vorne. »Jemand, den der Zigarettenrauch derart stört, fällt einfach auf, wenn er dort hinten sitzt.«
»Oh.« Der junge Mann tat, was ihm befohlen worden war.
Quinn schaute hinaus. Die Concorde überflog die Küste von Neuengland und schickte sich an, die Schallmauer zu durchbrechen. Er hatte Amerika noch nicht hinter sich, und schon wurden die Versprechungen gebrochen. Es war 10.15 Uhr Eastern Standard Time und 15.15 Uhr Londoner Zeit. Drei Stunden Flug bis Heathrow.
6. Kapitel
Simon Cormack verbrachte die ersten vierundzwanzig Stunden seiner Gefangenschaft in totaler Isolation. Experten hätten gewußt, daß dies zur Strategie des Mürbemachens gehörte – Gelegenheit für die Geisel, ausgiebig über ihre Einsamkeit und Hilflosigkeit nachzudenken. Zeit genug auch, daß Hunger und Müdigkeit allmählich ihre Wirkung tun. Eine Geisel, die voll »Pep« ist, noch aufgelegt zum Schimpfen und zum Streiten oder sogar dazu, irgendeinen Fluchtplan zu schmieden, schafft nur Probleme. Mit einem Opfer hingegen, dem nur Hoffnungslosigkeit und eine klägliche Dankbarkeit für kleine Gnadenerweise geblieben sind, ist viel leichter umzugehen.
Um 10 Uhr am zweiten Tag, ungefähr zu der Zeit, als Quinn in den Cabinet Room in Washington trat, lag Simon in einem unruhigen Halbschlaf, als er das Klicken des Gucklochverschlusses an der Kellertür hörte. Als er hinblickte, erkannte er ein Auge, das ihn beobachtete; sein Bett stand der Tür genau gegenüber, und selbst wenn seine drei Meter lange Kette gestrafft war, befand er sich nicht außerhalb des Blickfelds des Gucklochs.
Nach mehreren Sekunden hörte er das Knirschen der beiden Riegel, die zurückgeschoben wurden. Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und um die Kante erschien eine Hand in einem schwarzen Handschuh. Sie hielt eine weiße Karte, auf der mit einem Filzstift in Blockbuchstaben eine Nachricht beziehungsweise Instruktion geschrieben stand:
WENN DU EIN DREIMALIGES KLOPFEN HÖRST , SETZT DU DIE KAPUZE AUF . KLAR ? ZEIG , DASS DU VERSTANDEN HAST .
Simon, der nicht wußte, was er tun sollte, ließ ein paar Sekunden verstreichen. Die Karte bewegte sich ungeduldig.
»Ja«, sagte er, »ich habe verstanden. Ein dreifaches Klopfen an dieser Tür, und ich setze die Kapuze auf.«
Die Karte verschwand und wurde durch eine andere ersetzt. Auf dieser stand:
EIN ZWEIMALIGES KLOPFEN UND DU KANNST DIE KAPUZE WIEDER ABNEHMEN. IRGENDWELCHE FAULEN TRICKS UND DU STIRBST .
»Ich habe verstanden«, rief er zur Tür hin. Die Karte wurde zurückgezogen. Die Tür ging zu. Nach mehreren Sekunden ein dreimaliges lautes Klopfen. Gehorsam griff der junge Mann nach der dicken, schwarzen Kapuze, die auf dem unteren Ende des Bettes lag. Er zog sie sich über den Kopf und sogar bis zu den Schultern herab, legte die Hände auf die Knie und wartete zitternd vor Furcht. Der dicke Stoff verhinderte, daß er etwas hörte. Er spürte nur, daß jemand in Schuhen mit weichen Sohlen den Keller betreten hatte.
Der Kidnapper, der hereinkam, war noch immer von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, samt der Maske, die nur die Augen freiließ, obwohl Simon Cormack nicht das geringste sehen konnte. Der Mann stellte etwas neben dem Bett ab und ging wieder hinaus. Unter der Kapuze hörte Simon, wie sich die Tür schloß, die Riegel vorgeschoben wurden und dann ein deutlich vernehmbares doppeltes Klopfen. Langsam nahm er die Kapuze ab. Auf dem Boden stand ein Plastiktablett mit einem Plastikteller und Messer, Gabel und Becher aus dem gleichen Material. Auf dem Teller lagen Würstchen, gebackene Bohnen, Speckscheiben und ein großes Stück Brot. Der Becher war mit Wasser gefüllt.
Er war heißhungrig, da er seit dem
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