Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
trauen.
»Geh lieber hinten raus«, sagt sie, sobald er ihr den Zettel zurückgegeben hat.
»Ja«, stammelt er. Gott sei Dank, dass sie noch so geistesgegenwärtig ist, denkt er, während ihn Zara zur Hintertür bringt. Ohne ihre Hilfe wäre Stewart beim Eintreffen der Polizei noch im Haus gewesen. Sie rettet ihn. Rettet sich selbst. Sie schließt die Hintertür auf.
»Immer geradeaus und hinter der Mauer links, dann kommst du auf der nächsten Straße raus. Zieh keine Aufmerksamkeit auf dich.«
»Ja«, sagt er nickend. Dann beugt er sich runter. Sie küsst ihn noch mal. Er geht nach draußen, und sie schließt hinter ihm die Tür.
21
Sie sind den Gartenweg runter, über die Straße und zum Wagen. Calum lässt sich hinters Steuer fallen. Noch bevor George neben ihm sitzt, hat er schon den Schlüssel im Zündschloss gedreht. Sie behalten die Sturmhauben und Handschuhe an. Bleiben vermummt, bis sie keine potentiellen Zeugen mehr sehen können. Der Wagen springt an, sie fahren los. Immer noch schweigend. Die Waffen versteckt. Um die Ecke am Ende der Straße. Außer Sichtweite des Hauses und der Zeugen. Die Sturmhauben abgestreift. Noch mal Glück gehabt. Auf der kurzen Strecke vom Haus sind ihnen bisher noch keine Autos begegnet. Unterwegs hat sie niemand mit Sturmhauben gesehen.
»Gab’s irgendwelche Probleme?«, fragt George mit gedämpfter Stimme. Unnatürlich. Er bemüht sich zu sehr, gelassen zu klingen.
»Hätte nicht besser laufen können«, erwidert Calum. Auch seine Stimme klingt angespannt. Er versucht zu verbergen, dass er nicht reden will. Nach einem Auftrag redet er einfach nicht gern.
»Bei mir lief auch alles glatt«, sagt George ungefragt. »Nachdem ich den Kerl zu Boden geschickt hab, hat der sich nicht mehr gerührt. Und sie hat die ganze Zeit nicht mal mit der Wimper gezuckt. Ging schnell. Das war gut. Keine Ahnung, was die beiden angestellt hätten, wenn du länger oben geblieben wärst. Aber gute Arbeit. Sauber.«
»Bis jetzt«, raunt Calum und konzentriert sich aufs Fahren.
»Ja«, sagt George nickend.
Ein paar Minuten später. Immer noch unterwegs. Calum achtet auf die Straße, George redet.
»Mann, als wir rein sind, gab’s so viel, das ich sagen wollte. Scheiße! Mit den beiden so vor mir ging mir alles Mögliche durch den Kopf.« George bricht in Gelächter aus. Calum lächelt. Er weiß, irgendwann wird er sich hier dran erinnern und drüber lachen. Aber nicht heute. Die Sache ist noch zu frisch. »Wie der Typ geguckt hat. Zum Totlachen. Mann, der hatte nicht einfach Angst, der war total fertig. Hast du das gesehen, Cal? Erst steckt er in dieser tollen Braut, und plötzlich hat er eine Waffe am Kopf. Herrgott! Das arme Schwein. Traurig, so eine Nummer zu verpassen. Kaum zu glauben, dass sie mit diesem Versager Winter zusammen war. Tolle Braut mit geringen Ansprüchen. Das gefällt mir«, sagt George und lacht wieder los. Calum fallen Georges ständige Bemerkungen zu Zara Copes Anziehungskraft auf, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darauf zu antworten.
Er braucht elf Minuten bis zu dem Ort, an dem er George absetzt. Er lässt ihn nicht vor seiner Wohnung raus, das wäre wahnsinnig. Ihn zu weit weg abzusetzen, ist aber auch nicht ungefährlich. Schließlich muss er mit der Sturmhaube und den Handschuhen, ganz in Schwarz gekleidet, noch nach Hause kommen. Da könnte sich jemand wundern. George hat das aber im Griff. Bei seiner Arbeit macht er das ziemlich oft. Viele seiner Aufträge – ob Prügel oder Einschüchterungen –, führt er nachts aus. Weder auf dem Hin- noch auf dem Rückweg wurde er je geschnappt. Er braucht keine Ratschläge, wie man so was macht oder wie man es richtig macht. Deshalb ist er der Entspanntere. Für ihn ist die Sache gelaufen. Calum setzt ihn in einer heruntergekommenen Gegend der Stadt ab, einem alten Industriegebiet, in dem es kaum noch Industrie gibt. Er hält am Straßenrand.
Sie werden sich eine Weile nicht sehen. Bestimmt ein paar Tage, vielleicht auch mehrere Wochen. Man hält Abstand. Sorgt dafür, dass niemand einen mit dem anderen in Verbindung bringt. Die Polizei dürfte eine ungefähre Täterbeschreibung haben. Also geht man getrennte Wege. George öffnet die Wagentür. Es hat was Seltsames, wortlos zu gehen, aber was soll man schon sagen?
»Das war gute Arbeit, Mann. Ruf mal an, wenn die Sache nicht mehr so heiß ist.« Er will noch was sagen, bezweifelt aber, dass Calum noch was hören will. Calum muss den Wagen wechseln,
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