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Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter

Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter

Titel: Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Mackay
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könnten mit fast allem ungeschoren davonkommen. Aber nicht diesmal, Schätzchen. Diesmal wirst du für deine Missetaten büßen.

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    Das Ganze ist für ihn schon weit weg. Als würden die genauen Einzelheiten verblassen und in seiner Erinnerung von einem Gesamtbild ersetzt werden. Egal. Calum wird das, was passiert ist, niemandem erzählen. Die einzigen Leute, die danach fragen könnten, sind Jamieson und Young, doch die werden es nicht tun. Die werden sich hüten. Es gibt Leute im Geschäft, die ihrem Auftraggeber alles bis ins letzte Detail erzählen. Und Auftraggeber, die alles wissen wollen. Das wird hier nicht der Fall sein. Zu professionell. Jamieson und Young wollen nur wissen, ob der Auftrag erledigt und alles gut gelaufen ist. Sie wollen wissen, dass nichts auf sie hindeutet. Sobald sie das wissen, sind sie zufrieden.
    Kurz duschen, dann Frühstück. Heute was Kräftigeres. Er fühlt sich schon fast wieder normal. Erstaunlich, wie schnell Normalität einkehrt. Früher hat es mehrere Tage gedauert, die Unruhe zu überwinden, aber inzwischen nicht mehr. Jetzt dauert es nur noch Stunden. Und irgendwann wird er gar nicht mehr unruhig werden. Ist das gut? Wahrscheinlich nicht, denkt er, während er in der Küche zugange ist – wahrscheinlich ist es besser, ein bisschen nervös zu sein. Sobald man glaubt, sich keine Sorgen machen zu müssen, begeht man Fehler. Man darf so was nicht auf die leichte Schulter nehmen. Muss wachsam bleiben. Ihm fällt ein Gespräch mit Frank ein, das schon über ein Jahr zurückliegt. Frank hat erzählt, dass er vor einem Auftrag auch jetzt noch nervös wird. Sonst würde er aufhören.
    Wenn sich die Nervosität verliert, hört man auf, weil man die Risiken nicht mehr richtig einschätzen kann. So was kommt vor. Man stumpft ab. Das Ganze ist bloß noch ein Job. Man geht zur Arbeit und verrichtet sie, ohne über die Risiken nachzudenken. Das ist ausgesprochen gefährlich. Doch es gibt noch ein anderes Problem. Man wird älter. Wird sich der eigenen Sterblichkeit richtig bewusst. Denkt öfter an das, was man versäumt. Auf einmal ist man nicht mehr nervös, sondern hat Angst. Dann muss man auf jeden Fall aufhören. Dann begeht man eine Menge Fehler, die einen das Leben kosten können. Aber noch kommt Calum das Abklingen seiner Unruhe wahrscheinlicher vor. Er hatte bei einem Auftrag noch nie wirklich Angst.
    Er sitzt am Frühstückstisch und liest eine Sonntagszeitung. Blättert sie durch und sucht den einen Artikel, der von Bedeutung ist. Da. Eine kurze Meldung. Keine Bilder, keine großen Schlagzeilen. Mann in Glasgow ermordet. Im eigenen Haus erschossen. Lewis Winter, vierundvierzig. Erschossen nach einem Abend im Club. Die Polizei bittet um Hinweise. Vermutlich Verbindungen zum organisierten Verbrechen. Und das ist auch schon so ziemlich alles. Winters Leben und Tod, reduziert auf eine Randnotiz auf Seite dreiundzwanzig. Vielleicht hundert Wörter. Nicht viel für ein ganzes Leben.
    Der Artikel beruhigt Calum. Der Hinweis auf das organisierte Verbrechen dient einzig dazu, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Es geht um Drogendealer, die Drogendealer ermorden, also hat man nichts zu befürchten. Die meisten Leute dürften es lesen und denken: Wen interessiert das schon? Ohne den ist die Welt besser dran. Sollen die sich doch gegenseitig umbringen. Die Einzigen, die sich schreckliche Sorgen machen, dürften die Leute sein, die in derselben Straße wohnen. Für alle anderen bedeutet es bloß, dass es einen Scheißkerl weniger gibt. Keine Beschreibung der Täter. Höchstwahrscheinlich, weil sie keine haben. Jedenfalls nichts Verlässliches. Der Nackte wäre sowieso nicht imstande gewesen, eine Beschreibung zu geben. Cope vielleicht schon – sie war ruhiger. Aber sie haben jegliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen.
    Was er gelesen hat, gibt ihm ein gutes Gefühl. Ein normaler Artikel über die Ermordung eines Drogendealers. Keine spezielle Bitte um Hinweise von der Polizei. Keine Beschreibung. Es hätte ihm größere Sorgen gemacht, wenn in den Zeitungen gar nichts gestanden hätte. Dann hätten sie aus irgendeinem Grund Informationen zurückgehalten. Das wäre beunruhigend. So weit, so lehrbuchmäßig. Trotzdem muss er vorsichtig sein. In der Wohnung rumsitzen, nichts tun, das er nicht auch normalerweise tun würde. Zu den wichtigen Leuten einen angemessenen Abstand halten. Das langweilige Nachspiel eines Auftrags. Ins Wohnzimmer, sich vor den Fernseher setzen und die Zeit verstreichen

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