Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
lassen.
Am Nachmittag klingelt das Telefon. Er schaltet den Fernseher stumm und hebt ab.
»Hallo.«
»Hi, Calum, ich bin’s, Glen Davidson – hab dich lange nicht gesprochen.«
Bei Calum läuten sämtliche Alarmglocken. Laut und unaufhörlich. Warum zum Teufel ruft ihn Glen Davidson an? Glen Davidson ist ein Killer. Freischaffend. Arbeitet oft auf die grobe Tour. Versteht es, seine Spuren zu verwischen, ist aber ein übler Scheißkerl. Kann von Glück sagen, dass er noch nicht hinter Gittern gelandet ist. Ein echter Hüne, schon seit seiner Kindheit dabei, wegen seines Vaters. Familientradition. Calum ist ihm ein paarmal über den Weg gelaufen, kennt ihn so gut, dass er ihn begrüßt, aber das ist auch schon alles. Sie haben noch nie zusammengearbeitet. Darauf hätte Calum auch keine Lust. Nicht vertrauenswürdig.
Er hat länger innegehalten, als ratsam ist. »Glen, wie geht’s?«
»Nicht schlecht, nicht schlecht. Halte mich über Wasser, du weißt ja, wie’s läuft. Und, was macht die Kunst?«
Seltsam, dass er auf einmal so tut, als wären sie die dicksten Kumpels. Calum erinnert sich an die ganzen Geschichten, die er über Davidson gehört hat. Über seinen Jähzorn. Die Frau, die er krankenhausreif geschlagen hat. Jemand hat gesagt, seine Freundin wäre schwanger geworden, und er hätte das Kind aus ihr rausgeprügelt. Stimmt vielleicht nicht. Keine Beweise. Aber er gehört zu den Gorillas, an denen solche Geschichten hängenbleiben.
»Geht so, geht so. Was kann ich für dich tun?«
Mit anderen Worten: Sag was, das deinen Anruf rechtfertigt. Komm zur Sache oder lass es gleich bleiben. Das Ganze macht Calum langsam nervös, und so was kann er nicht ausstehen.
»Hast du viel zu tun?«, fragt Davidson.
Calum hält inne. Ein Arbeitsangebot? Warum sollte Glen Davidson jemand anderen für einen Job suchen? Vielleicht jemanden, der als zweiter Mann mitkommt, doch dafür wäre Calum wohl kaum seine erste Wahl.
»Bin gut beschäftigt«, sagt Calum. »Hab keine freie Minute.«
»Hab ich gehört. Lass dich ja schon in Ruhe. Wir sollten irgendwann mal was trinken gehen.«
»Klar«, sagt Calum, obwohl er weiß, dass es nie dazu kommen wird.
Er geht in der Wohnung auf und ab und denkt über den Anruf nach. Paranoia ist was Schreckliches, aber das heißt nicht, dass sie nicht hinter einem her sind. In diesem Geschäft kann Paranoia lebensrettend sein. Glen-Scheiß-Davidson. Ein sonderbarer Anruf von ihm kann einen schon mal nervös machen. Der Kerl kann einen jederzeit nervös machen. Der Fernseher ist noch stummgeschaltet. Die Formel- 1 -Wagen drehen lautlos und ausgelassen ihre Runden. Der Rest der Welt existiert für Calum nicht mehr. Sie ist auf eine Größe geschrumpft, die gerade noch für ihn und Glen Davidson reicht.
Er muss seine Vergangenheit durchforsten. Hat er schon mal mit Davidson gearbeitet oder ihm bei irgendwas ins Handwerk gepfuscht? Nein, noch nie. Er hat immer genügend Abstand gehalten. Zu anderen Killern hält man immer Abstand. Wenn man ihnen nicht in die Quere kommt, kommen auch sie einem nicht in die Quere. Ungeschriebenes Gesetz. Vielleicht wollte er Hilfe bei einem Auftrag für zwei. Calum hat bei anderen Killern einen guten Ruf. Sie wissen, dass er seine Arbeit beherrscht. Dass man ihm vertrauen kann. Nein, ziemlich unwahrscheinlich. Es gibt eine Menge Leute, an die sich Davidson vorher wenden würde. Einer von denen hätte zugesagt, bevor er auf Calum käme. Davidson ist schon lange genug im Geschäft, um bessere Alternativen zu haben.
Es gibt die eine schreckliche, unangenehme, bedrohliche Möglichkeit. Er hat ihn einem kleinen Test unterzogen. Will wissen, ob Calum in letzter Zeit einen Auftrag erledigt hat. Glaubt, dass Calum gerade einen Auftrag hinter sich haben könnte, und will rausfinden, ob das stimmt. Dabei kann es nur um Winter gehen. Welchen Grund sollte dieser Affe haben, sich mit Winters Tod zu befassen? Soweit Calum weiß, haben die beiden nicht zusammengearbeitet. Aber vielleicht doch. Vielleicht haben sie für dieselbe Person gearbeitet. Und vielleicht hat diese Person, die Jamiesons Andeutung zufolge vorhatte, mit Winter zusammenzuarbeiten, alles rausgefunden. Diese Person beauftragt Davidson. Lieber Mr. Davidson, bitte finden Sie heraus, wer aus Ihrem Geschäft Mr. Winter erschossen hat. Und dann? Wollen sie bloß den Namen wissen? Vielleicht wollen sie sich rächen. Jamieson eine Botschaft schicken.
Was machst du jetzt, du Draufgänger? Er spürt die
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