Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
wird alle Freunde brauchen, die ihr noch bleiben.
Greig sieht sie. Sieht Fisher. Er verlangsamt kurz seinen Schritt. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegt er, ob er stehen bleiben soll, um was zu sagen. Um zu fragen, weshalb sie da ist. Nein. Fisher darf nicht wissen, dass ihn das interessiert. Er darf ihm keinen Grund geben, Verdacht zu schöpfen. Fisher kann ihn auch so schon nicht ausstehen. Wenn sie in Schwierigkeiten steckt, ist das ihr Problem. Das Gesetz des Dschungels. Man muss selbst dafür sorgen, nicht in Gefahr oder Schwierigkeiten zu geraten. Kein anderer ist dafür zuständig, sich um einen zu kümmern. Man hat kein Recht, sich zu beklagen. Das weiß sie auch. Sie wird den Mund halten. Cope blickt ihn kurz an, während Fisher mit dem wachhabenden Beamten spricht. Er runzelt leicht die Stirn. Ein »Pech gehabt«-Blick. Sie weiß, wie das läuft. Er geht an ihr vorbei auf die Tür zu. Hoffentlich hat Fisher weder sein kurzes Zögern noch Copes Blick bemerkt. Den will er nicht im Nacken haben.
Sie haben ihr einen Anwalt besorgt. Sie konnte zwanzig Minuten mit ihm allein verbringen und ihm ihr Herz ausschütten. Wahrscheinlich hat sie ihm irgendein Märchen aufgetischt, ein Gespinst aus Lügen, in dem er sich gründlich verheddert hat. Ein schwacher Anwalt und eine starke Klientin sind ein schwieriger Gegner. Da müssen sie sich jetzt durchkämpfen. Sie hatte genug Zeit, um sich ihre Geschichte zurechtzulegen – es wird Zeit reinzugehen. Fisher betritt mit DC Davies den Verhörraum. Er setzt sich gegenüber von Zara hin. Blickt ihr in die Augen, während er die Formalien durchgeht.
»Bevor wir anfangen«, sagt Zara leise, »würde ich Sie gern fragen, was Sie unternehmen, um die Leute zu finden, die Lewis ermordet haben. Ich dachte, das wäre eigentlich Ihre Aufgabe.«
Das hat gesessen. Ein äußerst präziser Treffer. Selbst sie weiß, dass ihm die wahre Ermittlung entgleitet. Selbst sie erkennt sein Versagen. Er muss sie widerlegen.
43
In manchen Nächten kann man einfach nicht schlafen. Das hat nichts mit Schuldgefühlen zu tun, sagt Calum sich immer. Er hat wegen seiner Taten kein schlechtes Gewissen. Hat seine Rechtfertigung gefunden. Es ist bloß so, dass man manchmal nicht zur Ruhe kommt. Man legt sich schlafen, ist aber nach einer Stunde schon wieder wach. Oft schreckt man hoch, tastet nach der Bettdecke und stößt sie von sich. Da ist was im Zimmer. Auf dem Bett. Nein, doch nicht. War nur Einbildung. Zu oft im Dunkeln rumgetrieben. Zu oft nervlich angespannt. Nach einem Auftrag ist es nicht unbedingt schlimmer. Es ist gleichbleibend. Die Herausforderung ist, sich nicht davon zermürben zu lassen.
Calum ist jetzt wach. Richtet sich im Bett auf. Sitzt im Dunkeln. Man könnte meinen, weil er Angst hat. Der Gedanke an Davidson und den Anruf beschäftigt ihn. Aber eigentlich auch wieder nicht. Er beißt sich daran nicht fest. Er führt dieses Leben schon lange genug, um zu wissen, dass er alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen hat. Er hat Jamieson durch Frank warnen lassen. Die wissen inzwischen Bescheid. Vielleicht haben sie sogar schon was unternommen. Davidson könnte bereits tot sein. Nicht dass das von Bedeutung ist. Nicht Davidson ist hier die wahre Bedrohung. Vielleicht ist das am zermürbendsten. Davidson handelt bloß im Auftrag von jemand anderem. Der Auftraggeber stellt die Bedrohung dar. Vor ihm muss er Angst haben. Egal, was Davidson zustößt, sein Auftraggeber kann noch gefährlich werden.
Tagelang mussten Jamieson und Young darauf vertrauen, dass Calum den Auftrag erfolgreich erledigt. Sie saßen in ihrem Büro und hofften, dass er alles hinkriegen würde. Dass er es tun würde. Sie mussten mit der Ungewissheit leben. Es ist hart, wenn man nicht weiß, was vor sich geht. Jetzt sind die Rollen vertauscht. Jetzt sitzt Calum im Bett und hofft, dass sie was unternehmen, um ihm zu helfen. Eine Hand wäscht die andere. Nur dass sie ihn für seine Dienste bezahlt haben. Na ja, bezahlen werden, sobald es ungefährlich ist. Er ist nur ein Untergebener. Nur eine Figur auf dem Schachbrett. Sie können mit ihm machen, was sie wollen. Sie haben gegenüber ihm nicht dieselben Verpflichtungen wie er gegenüber ihnen. Vielleicht wollen sie allen zeigen, dass sie ihm helfen. Vielleicht wollen sie ja, dass ihre anderen Untergebenen sie für die Art Boss halten, der seinen Leuten hilft. Aber vielleicht ist ihnen das auch egal. Genau deshalb will er nicht fest für jemanden arbeiten. Als
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