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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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sie rasch durchblätterte. Die Maske des Mörders erinnerte an gewisse Darstellungen in der Kunst der Schwarzafrikaner oder der Inuit. Auch dieses Detail war wichtig. Der mythologische Mörder schauspielerte nicht. Wenn er tötete, befand er sich in einer Sphäre urzeitlicher Götter und Geister und im Bann eines archaischen Glaubens. In seinen Augen war alles, was geschah, die Wirklichkeit .
    Eine Wärterin erschien und rief Anaïs zum Mittagessen. Bei der Vorstellung, zu den anderen hinuntergehen zu müssen, verspürte sie einen schmerzlichen Widerwillen. Sie fühlte sich bedroht. Polizisten sind im Gefängnis niemals willkommen, doch Anaïs fürchtete etwas anderes. Ihre Angst war gleichzeitig präziser und verschwommener. Es war d ie Angst vor einer tödlichen Gefahr .
    Sie verstaute die Bücher im Sammelwagen und folgte der Aufseherin. Ihre Gedanken wanderten zu Mêtis. Eine mächtige, unsichtbare, allwissende Konzerngruppe, die Recht und Ordnung durchsetzen wollte, indem sie Gesetze missachtete. Reichte der Einfluss dieser Männer bis in dieses Gefängnis? Um sie auszuschalten, damit sie endlich Ruhe gab?
    Aber was genau wusste sie eigentlich?
    Stellte sie überhaupt eine Gefahr dar?

U nd wieder einmal Internet.
Er begann mit seiner offiziellen Nummer. Dazu brauchte er lediglich die Kundennummer einzutippen, und schon erschien die Anrufliste auf dem Bildschirm. Er schaltete sein Handy in den verdeckten Modus um und probierte nach dem Zufallsprinzip ein paar Nummern aus. Meistens erreichte er nur die jeweilige Mailbox. Sobald jemand abnahm, legte er sofort auf. Immer waren es Frauenstimmen. Die Nummer war auf jeden Fall die von Nono, dem Aufreißer.
    Als Nächstes probierte er es mit der geheimnisvollen anderen Nummer. Dank der Daten im Vertrag konnte er die Liste abrufen. Chaplain benutzte dieses Handy offenbar selten. Innerhalb von vier Monaten hatte er nur wenige Male selbst telefoniert. Die ankommenden Anrufe jedoch waren sehr zahlreich und setzten sich auch nach Ende August bis in den Dezember hinein fort, wurden zum Schluss hin allerdings weniger.
    Langsam wählte er eine der angegebenen Nummern.
    »Hallo?«
    Bereits nach zweimaligem Läuten wurde abgehoben, und eine laute, aggressive Männerstimme meldete sich. Dieses Mal musste er reden, um mehr zu erfahren.
    »Hier ist Chaplain.«
    »Wer?«
    »Nono.«
    »Nono? Arschloch! Wo treibst du dich denn rum, du Vollidiot? Kučkin sin! «
    Der Akzent kam ihm slawisch vor. Er legte auf, ohne zu antworten, und probierte eine weitere Nummer. Wie hasserfüllt die Stimme doch geklungen hatte!
    »Hallo?«
    »Hier ist Nono.«
    »Du hast ja wohl nicht alle Tassen im Schrank, du Nullchecker!«
    Wieder eine tiefe Stimme und wieder ein Akzent – dieses Mal aber eher afrikanischer Herkunft.
    »Ich konnte dich nicht vorwarnen«, improvisierte Chaplain. »Ich musste … für einige Zeit weg.«
    »Mit meinem Zaster? Sag mal, spinnst du?«
    »Ich gebe dir alles zurück.«
    Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte laut auf.
    »Und zwar mit Zinsen, mein Lieber, da kannst du Gift drauf nehmen. Aber erst schneiden wir dir die Eier ab und …«
    Chaplain legte auf. Er schien tatsächlich Dealer zu sein. Ein Dealer, der mit der Kasse abgehauen war.
    Wie besessen versuchte er es mit weiteren Nummern. Nicht ein einziges Mal wechselte er mehr als ein paar Worte. Ihm war, als ob allein seine Stimme genügend Indizien liefern würde, ihn zu lokalisieren.
    Er hörte alle möglichen Akzente: asiatische, arabische, afrikanische und slawische. Manchmal redete man ihn gleich in einer Fremdsprache an; zwar verstand er die Worte nicht, aber der Sinn wurde ihm auch so klar.
    Nono schuldete offenbar sämtlichen Ausländern in Paris Geld. Als ob er ohnehin nicht schon genügend Feinde gehabt hätte!
    Der Akku seines Handys machte schlapp.
    Da ihm nur noch eine Nummer anzurufen blieb, entschloss er sich, das Festnetztelefon zu benutzen. Mit dem Laptop in Reichweite setzte er sich auf sein Bett und wählte den letzten aufgelisteten Anschluss.
    Der Akzent hörte sich irgendwie serbisch an, aber die Stimme klang ruhiger. Chaplain stellte sich vor. Der Mann lachte leise.
    »Yussef war sicher, dass du wiederkommen würdest.«
    »Yussef?«
    »Ich werde ihm sagen, dass du wieder da bist. Bestimmt freut er sich darüber.«
    Weil Chaplain mehr erfahren wollte, versuchte er es mit einer Provokation.
    »Ich weiß nicht, ob ich ihn überhaupt sehen will.«
    »Bist du bescheuert oder was?«, lachte der

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