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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Spiegel wurde behandelt. Man hat ihn in diese chemische Verbindung getaucht, um ihn lichtempfindlich zu machen. Angeblich ist es ein sehr altes Verfahren, das man schon vor hundertfünfzig Jahren benutzte. Man nennt es Daguerreotypie-Verfahren.«
    »Wie bitte?«
    »Es ist ein Vorläufer der Fotografie. Ich habe mich schlaugemacht: Der polierte und versilberte Spiegel bewahrt das von einem Objektiv projizierte Abbild. Anschließend setzt man ihn Joddämpfen aus und erhält so ein Bild. Als die Silberabzüge erfunden wurden, gab man die alte Technik auf, da mit ihr keine Vervielfältigung möglich war. Bei einer Daguerreotypie wird sofort ein Bild erzeugt, ohne vorher ein Negativ zu erstellen.«
    »Und Dimoun glaubt, dass es sich bei dieser Spiegelscherbe um ein Teil einer Daguerreotypie handelt?«
    »Richtig. Und damit haben wir ein verdammt gutes Indiz, denn heutzutage arbeiten nur noch ein paar passionierte Hobbyfotografen nach dieser Methode.«
    »Hast du dich schon umgehört?«
    »Bin dabei.«
    »Such mir den Club, wo sich diese Typen treffen. Ich brauche eine Liste der Leute, die das Verfahren heute noch benutzen.«
    Während sie sprach, hatte sie plötzlich eine ganz genaue Vision von der Vorgehensweise des Mörders. Er tötete. Dann inszenierte er eine Szene aus der griechischen Mythologie. Und anschließend verewigte er sie ein einziges Mal auf einem silbernen Spiegel. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Irgendwo musste ein Raum existieren, wo diese schrecklichen Bilder aufgehängt waren. Im Geiste sah sie sie vor sich. Den Minotaurus mit der durchschnittenen Kehle. Den verbrannten Ikarus. Den entmannten Uranus. Wie viele davon gab es noch ?
    »Deine Nummer ist da. Hast du etwas zu schreiben?«
    »Oh ja. In meinem Kopf.
    Le Coz gab ihr Namen und Adresse der geheimnisvollen Gesprächspartnerin von Arnaud Chaplain. Die Informationen sagten Anaïs nicht das Geringste. Aber in diesem Fall war sie nur die Vermittlerin. Sie bedankte sich bei Le Coz. Seine Warmherzigkeit rührte sie.
    »Wie kann ich dich erreichen?«
    »Überhaupt nicht. Ich werde zusehen, was ich tun kann.«
    Sie schwiegen. Le Coz fiel nichts mehr ein. Anaïs legte eilig auf, um nicht in Tränen auszubrechen.
    Schließlich bat sie ihre Aufseherin um einen weiteren Gefallen: Sie wolle gern an den letzten Minuten des Spaziergangs teilnehmen. Die Wärterin seufzte und musterte Anaïs von Kopf bis Fuß. Doch dann schien ihr einzufallen, dass es sich bei der jungen Frau um eine Polizistin handelte, und sie schlug die Richtung des Gefängnishofs ein.
    Anaïs hatte das Gefühl, innerlich zu brennen. Das Indiz der Daguerreotypie gab ihr neuen Auftrieb. Zugleich war sie wütend, im Gefängnis sitzen zu müssen, während es in ihrem Fall neue Erkenntnisse gab. Eins aber wusste sie genau: Diese Spur würde sie für sich behalten. Sie würde Solinas kein Sterbenswörtchen verraten.
    Der Lärm draußen riss sie aus ihren Gedanken. Die Aufseherin hatte gerade die letzte Tür geöffnet. Die Frauen spazierten auf dem Hof umher, den Sportplätze mit Basketballkörben und einer Tischtennisplatte aus Beton umgaben. Dennoch konnte man nie vergessen, wo man sich befand: Stacheldrahtbewehrte Mauern begrenzten das Blickfeld. Die Körper der Frauen im Hof wirkten welk und kraftlos. Ihre verbrauchten Gesichter erinnerten an Löffelstiele, die man abfeilte, schmirgelte und schärfte, um schließlich eine mörderische Waffe daraus zu machen. Selbst der eisige Wind roch nach der schlechten Luft in den Zellen, nach Gemeinschaftsessen und nachlässig gewaschenem Schambereich.
    Anaïs steckte die Hände in die Taschen und war nun wieder ganz Polizistin. Auf der Suche nach einem geeigneten Opfer beobachtete sie Gruppen, Paare und Einzelpersonen. Die Gefangenen teilten sich in zwei Gruppen, deren Zugehörigkeit man an ihren Gesichtern, ihren Gesten und ihrem Gang ablesen konnte. Wilde Tiere und Besiegte. Anaïs ging auf eine Gruppe von vier arabischstämmigen Frauen zu, die nicht aussahen, als hätte ein Justizirrtum sie hierher verschlagen. Man sah ihnen an, dass der Gefängnisalltag noch nicht allen Saft aus ihren Adern gesaugt hatte. Jede von ihnen konnte auf mehrere Jahre Knast zurückblicken, und für die Zukunft sah es auch nicht viel besser aus. Trotzdem glühte ihre Wut unvermindert weiter.
    »Hallo.«
    Eisiges Schweigen schlug ihr entgegen. Nicht einmal ein Kopfnicken. Man starrte sie aus harten schwarzen Augen an.
    »Ich brauche ein Handy.«
    Die Frauen blickten sich

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