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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Refugium einer einsamen Frau, die sich hier verkroch, um traurige Bücher zu lesen. Er hätte sich nicht gewundert, eine Katze oder einen Zwergpudel vorzufinden, doch Tiere gab es hier offenbar nicht.
    Er ging weiter ins Schlafzimmer. Paravents aus Holz und Perlmutt schirmten die Fenster ab. Mitten im Zimmer stand ein rotes Bett, scheinbar bereit für einen Regen aus Rosenblättern. Hier jedoch wartete eine Überraschung auf Chaplain: Auf der rückwärtigen Wand hatte Sasha die Porträts aller Clubmitglieder wie auf einer riesigen Anschlagtafel aufgehängt.
    Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass sie die Köpfe mit Linien, Pfeilen und Pünktchen untereinander verbunden hatte. Sasha überwachte die Beziehungen, die aus ihren Treffen hervorgingen, wie ein Admiral, der Flotten aus Schiffsmodellen über eine Seekarte schiebt. Die stummen Münder der Gesichter, die auf Kommando gelächelt hatten, schienen nur ein einziges Wort herauszuschreien: Einsamkeit. Und noch viel mehr als alles andere verwiesen diese Gesichter auf Sashas eigene Seele, die noch viel lauter schrie. EINSAMKEIT!
    Er stellte sich vor, dass Sasha nur durch die Treffen lebte, die sie organisierte. Sie kümmerte sich um jedes Mitglied, spionierte ihm nach und manipulierte es. Vielleicht masturbierte sie angesichts dieser mit Gesichtern bedeckten Wand und der sexuellen Verbindungen, die diese untereinander hatten. Sie war eine Gefangene ihrer Fantasievorstellungen, ihrer leeren Existenz und dieser Galaxie, die zwar durch sie am Leben erhalten wurde, deren Wärme sie aber nie zu spüren bekam.
    Irgendwo verwahrte sie mit Sicherheit die genauen Aufzeichnungen aller Verbindungen zwischen den Mitgliedern ihres Clubs. Auf einem kleinen Schreibtisch unmittelbar an der Wand stand ein MacBook. Chaplain setzte sich und schaltete es ein. Es war nicht gesichert. Sasha fühlte sich hier in ihrem Reich sicher.
    Er öffnete den Ordner sasha.com und klickte auf das Icon, hinter dem sich die Clubmitglieder verbargen. Es gab zwei unterschiedliche Dateien. Einmal eine Auflistung der Nicknames in alphabetischer Reihenfolge und einmal eine ebensolche Liste nach Familiennamen. Chaplain entschied sich für die Nicknames. Auch hier fand er wieder zwei Dateien – die männlichen Mitglieder und die weiblichen. Er öffnete die Datei der Frauen. Vor seinen Augen zogen digitalisierte Porträts vorbei, zu denen immer persönliche Informationen über Herkunft, Familienstand, Beruf, Einkünfte, Musikgeschmack und Erwartungen gehörten. Sasha organisierte ihre Treffen nach bestimmten Vorlieben.
    Unter den Gesichtern waren einige, die sich stark von den anderen abhoben. Die Regelmäßigkeit ihrer Züge und die Intensität ihrer Augen verwiesen sie in eine andere Kategorie – die der Traumfrauen. Chaplain fragte sich, ob diese Mädchen wirklich existierten. Immerhin ist es auf Flirtseiten Usus, Lockvögel zu platzieren, um Kundschaft anzulocken.
    Oder es handelte sich bei diesen Frauen um die Hostessen, von denen Sophie Barak gesprochen hatte. Professionelle Escort-Girls, die eigentlich in diesem Club nichts zu suchen hatten und mit Sicherheit nicht von Sasha bezahlt wurden. Aber wer entlohnte sie dann? Und wofür? Die Mädchen hatten sich völlig natürlich zurechtgemacht, ohne Make-up und ohne dick aufzutragen; trotzdem blieben sie zeitlos schön.
    Er schrieb sich ihre Nicknames auf. Chloe. Judith. Aqua-84. Und dann fand er Medina. Obwohl sie sich sichtbar zurücknahm, sprang ihre erotische Ausstrahlung dem Betrachter geradezu ins Auge. Sie hätte nicht die geringste Chance gehabt, bei Sashas Abenden Mauerblümchen zu bleiben.
    Auch Leila entdeckte er. Sie war eine junge Marokkanerin mit lockigem Haar, dunklen Lippen und schwarzen Augen. Auch sie hatte sich dezent zurechtgemacht, trug weder Make-up noch Schmuck und hatte eine einfache beige Bluse an. Doch die dunklen Ringe unter ihren wahrhaft glühenden Augen verliehen ihrem Blick die Leuchtkraft von Quarz. Offenbar legten diese übernatürlich schönen Mädchen es darauf an, in der Masse zu verschmelzen. Aber wonach suchten sie?
    Plötzlich geschah etwas. Chaplain fing noch einmal von vorn an und ließ die Aufnahmen langsamer an sich vorüberziehen. Er hatte noch ein anderes Gesicht erkannt. Es war oval, sehr blass und von schwarzem Haar eingerahmt, das so glatt wie schwarze Seide schimmerte. Ihre hellen Augen strahlten wie Kerzen. Unwillkürlich dachte er an eine religiöse Zeremonie und Weihrauchdüfte. Sie war wie ein Engel,

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