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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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sanft wie ein Gebet und aufwühlend wie eine Erscheinung.
    Als Chaplain den Nickname des Engels las, drehte sich alles vor seinen Augen.
    Feliz .
    Es war das Wort, das er in seinem Traum vom Schatten auf der weißen Mauer gehört hatte. Nie hatte er verstanden, was dieser Begriff, der im Spanischen »glücklich« bedeutet, in seinem Traum zu suchen hatte. Feliz. Er kannte das Gesicht. Die leise, warme, hoffnungsvolle Stimme seines Traums hatte er nie vergessen können. Und jetzt war ihm klar, dass diese Stimme dieser Frau gehörte.
    Wenn man das Foto anklickte, gelangte man direkt zu den Daten der betreffenden Person. Als Chaplain den bürgerlichen Namen des Mädchens las, schüttelte er fassungslos den Kopf. Es war einfach nicht zu fassen – es war völlig verrückt! Er erstickte ein schmerzliches Stöhnen. Aber die Wahrheit stand vor seinen Augen, und es war unmöglich, einen Rückzieher zu machen.
    Feliz hieß Anne-Marie Straub.
    Und jetzt erkannte er sie auch. In seiner Erinnerung waren die Gesichtszüge der erhängten jungen Frau immer nach einer Seite verzogen. Aber sie war es wirklich. Die Tote. Der Geist, der seine Träume heimsuchte. Anne-Marie Straub. Die einzige Frau, die er vermutlich je geliebt hatte, war nicht Patientin einer psychiatrischen Klinik gewesen, sondern ein Escort-Girl, das er wahrscheinlich bei einem von Sashas Treffen kennengelernt hatte. Eine Jägerin, die wohl dafür bezahlt wurde, an diesen Dates teilzunehmen. Und seine Erinnerungen – die Liebesnächte in Anne-Maries Zelle, die Wahnvorstellungen seiner Geliebten, ihre Gestalt, die aufgehängt mit seinem Gürtel über ihm baumelte – waren nichts als Verzerrungen und Halluzinationen. Bis zum heutigen Tag hatte er nicht viel besessen. Aber das Wenige hatte sich mit einem Mal in nichts aufgelöst.
    Chaplain schloss die Augen und bemühte sich, zu einer gewissen Kaltblütigkeit zurückzufinden. Als er sich wieder ein wenig gefangen hatte, öffnete er die Augen und las die Einzelheiten.
    Feliz war dem Club im März 2008 beigetreten. Sie wohnte in der Rue de Lancry im 10. Arrondissement und war siebenundzwanzig Jahre alt. Alle anderen Fragen hatte sie nicht beantwortet. Weder die nach ihrem Beruf noch die nach Einkünften, Hobbys oder Freizeittätigkeiten. Wahrscheinlich hatte Sasha nicht darauf bestanden. Angesichts einer solchen Kandidatin durfte man nicht zu pingelig sein.
    Chaplain stellte fest, dass Anne-Marie Straub im folgenden Jahr ihre Mitgliedschaft nicht erneuert hatte. Er versuchte eine chronologische Reihenfolge aufzustellen. Irgendetwas schien nicht zu stimmen. Von März 2008 bis Februar 2009 war sie Clubmitglied gewesen. Zu dieser Zeit aber hatte Nono noch gar nicht existiert. Laut Yussef war er im März 2009 aufgetaucht. Wann aber hatte er dann Anne-Marie Straub kennengelernt? In welchem Leben?
    War es möglich, dass er sie bereits im Jahr 2008 getroffen hatte? Zu einer Zeit, als er noch ein anderer war, aber vielleicht schon damals unter einem anderen Namen bei Sasha eingeschrieben war?
    Mit einem weiteren Klick gelangte er zum Überblick über die Dates von Feliz. Er erfuhr, an wie vielen Treffen sie teilgenommen und nach wessen Telefonnummern sie gefragt hatte. Sollte er mit seiner Vermutung recht haben, musste er sich in dieser Liste befinden.
    Bis zum Dezember 2008 hatte Feliz an fast vierzig Treffen teilgenommen, sich jedoch nur zwölf Telefonnummern geben lassen. Chaplain rief die Nicknames der Telefonkontakte auf, aber keiner weckte bei ihm auch nur die leiseste Erinnerung. Dann öffnete er die Akte mit dem Foto jedes angerufenen Kandidaten, doch sein Konterfei war nicht darunter.
    Als er hier nicht weiterkam, nahm er sich die Eroberungen von Feliz genauer vor. Am 21. März 2008 hatte sie sich die Nummer eines gewissen Rodrigo geben lassen, der im richtigen Leben Philippe Desprès hieß, dreiundvierzig Jahre alt, geschieden und kinderlos war. Am 15. April interessierte sie sich für Sandokan alias Sylvain Durieu, einen einundfünfzigjährigen Witwer. Am 23. Mai 2008 war es Gentil-Michel alias Christian Miossens, neununddreißig Jahre alt und Single. Am 5. Juni 2008 fragte sie nach Alex-244, dessen bürgerlicher Name Patrick Serena lautete und der einundvierzig Jahre alt und Single war.
    Und so ging es weiter. Sowohl Namen als auch Profile boten nichts Besonderes. Was mochte Feliz an diesen Männern fasziniert haben? Sie war Profi und daran gewöhnt, ihre außergewöhnliche Schönheit in klingende Münze zu

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