Der Väter Fluch
Babysitten!« Decker gab ihm einen Zwanziger. »Das sollte dich für eine Weile über die Runden bringen.«
»Das ist aber sehr großzügig.« Ein breites Lächeln... ein ehrliches Lächeln. »Vielen Dank. Ich werde jetzt besser wieder was tun. Ich hab 'ne Zwei plus in Gemara und würde sie gern behalten.«
»Ganz meine Meinung.« Geld - es war sicherlich nicht Liebe, aber manchmal eben ein verdammt guter Ersatz.
9
Als die Pizza aus der Mikrowelle kam, hatte sie nicht nur jeden Geschmack verloren, sondern auch eine aufgeweichte Kruste -aber sie war heiß und sättigend. Gegen fünf war er wieder zurück auf der Wache. Er wusste, dass Ernesto Golding nicht allein gewesen sein konnte, aber die anderen Täter würden nur schwer zu fassen sein. Am liebsten hätte Decker Ernestos Freunde ausführlich befragt - um herauszufinden, über welche Informationen sie verfügten -, aber er wusste, dass deren Eltern jeden Kontakt untersagen würden. Ohne einen Beweis für eine Beteiligung an der Sache hatte er keine Chance, bis in ihre Wohnungen vorzudringen, und weitere Beweise würde es nicht geben, solange Ernesto darauf beharrte, der einzige Täter zu sein. Dazu kam, dass Mel- rose sich gute Chancen ausrechnen konnte, die Anklage gegen Ernesto auf böswillige Sachbeschädigung - und damit auf ein leichtes Vergehen - herunterzuhandeln, weil dieser ja freiwillig mit der Staatsanwaltschaft kooperiert hatte. Und das bedeutete eine Strafe auf Bewährung und die Versiegelung seiner Akte.
Jetzt, da Ernesto in die Mühlen des Rechtssystems geraten war, spielte Decker in dem Stück bestenfalls noch eine marginale Rolle. Ihm blieb nicht mehr allzu viel Zeit. Wenn er nicht sehr bald mit etwas Neuem aufwartete, würde ihm der gesamte Fall aus den Händen gleiten - offiziell abgeschlossen, mit Ernesto Golding als alleinigem Täter.
Als er den Bereitschaftsraum der Detectives betrat, war Decker froh, Martinez und Webster an ihren Schreibtischen vorzufinden. Auch Wanda Bontemps schrieb, über den Schreibtisch gebeugt, gerade an ihrem Bericht, während ihre Finger in den dichten Locken spielten. Sie trug eine schwarze Hose und einen blauen Pullover mit Stehkragen. Über der Rückenlehne ihres Stuhls hing ein schwarzer Blazer. Er winkte sie genau wie Martinez und Webster zu sich. Das Quartett versammelte sich in Deckers Büro.
»Ist Golding bereits dem Richter vorgeführt worden?«, fragte Webster.
»Vor einer Stunde«, antwortete Decker. »Kein Widerspruch eingelegt. Er ist wieder zu Hause - die Eltern haben die Kaution bezahlt. Der Gerichtstermin wird in etwa sechs Wochen sein.«
»Wurde er von der Schule verwiesen?«, fragte Wanda.
»Das weiß ich nicht«, antwortete Decker. »Aber irgendwas sagt mir, dass hinter den Kulissen Verhandlungen stattgefunden haben. Sie wissen ja, wie das so ist - Institutionen und Geld.«
»Der Lauf der Dinge«, bemerkte Webster. »Mit Geld kann man alles kaufen. Sogar Geld.«
»Ich weiß nicht, was der Schulleiter vorhat«, meinte Decker. »In einer gerechten Welt müsste Golding jetzt von der Schule fliegen.«
»In einer gerechten Welt müsste er jetzt in den Knast«, meinte Wanda.
»Wie wahr. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Melrose die Sache im Eiltempo durchzieht, scheint mir das mehr als fraglich.« Decker fühlte sich niedergeschlagen, als ob er Rina irgendwie enttäuscht hätte. »Was habt ihr über die Hüter des Völkischen Dingsbums rausgefunden?«
»Ihr Anführer ist ein Typ namens Darrell Holt«, sagte Martinez. »Eine Mischung verschiedener Rassen - von daher kann ich mir nicht erklären, wie er seine eigene genetische Herkunft mit dem ganzen völkischen Reinheitsgequatsche unter einen Hut bringt. Auf jeden Fall erhält er für seine Sache Unterstützung von einigen Alibiminderheiten: einem Filipino, einem Lateinamerikaner, einem Afroamerikaner, einem Asiaten, einem Juden und, der Vollständigkeit halber, einem Angloamerikaner.«
»Wie sieht die Unterstützung aus?«, fragte Decker.
»Hier, bitte.« Webster gab ihm die Handzettel. »Im Grunde alles der gleiche Mist. Man kann sie leider nicht allein auf Grund der Artikel festnageln. Sie reiten endlos auf dem guten alten getrennt, aber gleichberechtigt« rum.«
Decker überflog die Seiten und las einige der Zettel. »Hier ist einer, der für eine >Englisch als einzige Sprache<-Politik eintritt.«
»Richtig, das ist der Exmarinesoldat.«
»Hank Tarpin.« Decker warf einen Blick auf den Text. »Oberflächlich betrachtet, steht
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