Der Väter Fluch
nicht abgeändert.«
»Es sieht so aus, als hätten Sie es eilig, hier wegzukommen«, sagte Webster.
»Für ein Landei bist du verdammt clever.« Sie setzte sich auf den Bettrand. »Falls du aber annehmen solltest, dass meine überstürzte Abreise eine Art Schuldeingeständnis ist, liegst du ziemlich daneben, mein Süßer. Ernesto hat gestanden, dass er die Synagoge verwüstet hat. Ob es dabei Helfer gab, weiß ich nicht. Wir haben nicht viel geredet. Wir hatten eine seck-su-elle Beziehung. Er ist ziemlich gut gebaut, und deshalb hab ich mich mit ihm abgegeben. Ich bin dreiundzwanzig und auf vielen Gebieten ein Genie. Er ist siebzehn - intelligent, aber kein Einstein. Trotz seiner viel versprechenden Anlagen braucht er noch ein paar Jahre, bis sein Verstand richtig funktioniert. Wir haben mehr gefickt als geredet.«
»Sie haben gerade den Weg für eine Anklage wegen Unzucht mit Minderjährigen freigemacht«, sagte Webster.
»O Mann, jetzt zitter ich gleich vor Angst. Aber klar doch, wenn ihr mich dafür verhaften wollt, weil ich mit ihm gevögelt oder ihm irgendwelche Ideen in den Kopf gesetzt hab - nur zu.« Sie stand auf und hob den Seesack hoch. »Nicht zu schwer.«
Dann verschwand sie im Badezimmer, kam mit einem Arm voller Haar- und Pflegeprodukte zurück und warf sie ebenfalls in den Seesack. »Habt ihr schon mal mit dem Sohn eures Vorgesetzten über mich gesprochen? Jacob Lazarus. Der Junge ist wirklich intelligent. Ein echt irrer Typ, aber schwer gestört. Mann, hat der mich gehasst!« Sie grinste. »Ich würd ihn mal im Auge behalten. Denn sind es nicht immer die Söhne der Bosse, die am abartigsten sind?«
Sie schwieg einen Moment.
»Obwohl ich seine Wut ja verstehen kann. Das Leben erscheint einem so dämlich, wenn man selbst so clever ist. Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum ich so besessen von Leuten bin, die andere beeindruckt haben - wenn auch in einem negativen Sinn.« Sie schloss den Reißverschluss des Seesacks und hob ihn erneut hoch. »Scheiße, ist der schwer! Hat einer von euch vielleicht Lust, mir zu helfen?«
»Nein, kein Interesse«, antwortete Wanda.
Ruby lächelte. »Okay, ganz wie ihr wollt. Ich verschwinde jetzt. Sagt meiner Mutter, dass Dad immer noch seine Sekretärin vögelt, also kann sie sich genauso gut das Stück Schokoladentorte genehmigen.« Sie zwinkerte ihnen zu und hievte den Seesack ein wenig vom Boden. »Bye, bye.«
Die drei folgten ihr die Treppe hinunter. Alice wartete bereits am Fuß. »Wann wirst du zurück sein?«
»Keine Ahnung.« Ruby küsste ihre Mutter auf die Wange. »Reiß dich zusammen, Ma. Du hast doch noch immer den Mann vom Reinigungsdienst.«
Sie zog den Seesack, der eine Kratzspur am Boden hinterließ, über die Holzdielen hinaus auf die Veranda. Dann schleppte sie ihn durch den Innenhof und über den Bürgersteig und wuchtete ihn auf die offene Ladefläche eines Jeeps mit Vierradantrieb. Krachend schlug sie die Heckklappe zu, schwang sich hinters Steuer und ließ den Motor aufheulen. Wenige Augenblicke später war sie verschwunden.
Wanda notierte sich das Kennzeichen und wandte sich dann Rubys Mutter zu. »Ich würde mir nicht allzu viele Sorgen machen, Mrs. Ranger. Wenn das Geld ausgeht, kommen sie meist schnell zurück.«
Alice musterte Wanda von Kopf bis Fuß. In ihren geröteten Augen standen immer noch die Tränen. »Sie wissen doch gar nicht, was ich durchgemacht habe. Man versucht zwar aufzugeben und sie loszulassen, aber irgendwas tief in einem drin versucht es immer wieder. Nur noch ein Gespräch, nur noch ein Versuch!« Sie wischte die Tränen von ihren Wangen. »Sie war doch einmal ein kleines Mädchen... das in seinem Gitterbettchen lachte und krähte, genau wie alle anderen Kinder. Ihr Bruder ist ganz anders. Ich verstehe einfach nicht, was passiert ist!«
Martinez massierte seinen Nacken. »Kinder sind manchmal ziemlich schwierig. Aber sie ist kein Kind mehr, sondern erwachsen. Sie brauchen dieses Joch nicht länger zu tragen. Sie ist selbst für sich verantwortlich.«
Die Frau schüttelte den Kopf. »O nein, das Joch ist immer da... immer. Genau wie bei diesem afrikanischen Stamm, dessen Frauen ständig mehrere Eisenringe um den Hals tragen. Die Ringe dehnen den Hals in die Länge. Sie dehnen ihn und dehnen ihn. Es heißt, wenn man die Ringe entfernt, wäre der Hals nicht mehr in der Lage, den Kopf zu tragen, und die Frau müsste sterben. Und genau so verhält es sich mit mir, Detective. Das Joch ist die einzige
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