Der Väter Fluch
ein paar Erkundigungen über ihn einholt. Und ich muss Jill und Carter Golding einen Besuch abstatten, bevor sie womöglich auf andere Weise davon erfahren. Wenn natürlich einer von euch diesen Job übernehmen möchte... ?« Schweigen.
»Dachte ich mir.« Decker blinzelte in die Sonne und wusste, dass dies mal wieder ein richtig heißer Tag werden würde.
16
Sie mussten sofort geahnt haben, dass es sich diesmal wirklich um was Ernstes handelte, denn wegen eines der üblichen kleineren Gesetzesverstöße wäre Decker nicht persönlich vorbeigekommen. Aber mit einer solchen Nachricht hatten sie natürlich nicht gerechnet. Und für Decker war es unmöglich, sie ihnen auf irgendeine schonende Weise beizubringen.
Er stand da wie erstarrt und musste wieder einmal den Schock, das Grauen und all den Schmerz mit ansehen, dessen Ausmaß nur andere trauernde Eltern nachempfinden konnten - die Schreie, die Schluchzer, der plötzliche Griff ans Herz. Der Vater, der die Mutter zu trösten versucht, und die Mutter, die davon nichts wissen will. Dann folgte die unvermeidliche Leugnung.
Sie müssen sieb irren.
Sind Sie sicher?
Sie könnten sich doch geirrt haben. Woher wollen Sie das so genau wissen? Sie irren sich!
Aber er irrte sich nicht. Dieser Teil seiner Arbeit wurde für Decker niemals leichter.
Zu Anfang würden sie ihn hassen, weil er ihnen diese schreckliche Nachricht überbracht hatte. Dann, nach ein bis zwei Wochen oder einem Monat, würden sie ihn mehr und mehr als Vermittler begreifen, als jemanden, der ein wenig Logik in diesen Irrsinn bringen konnte, ihre Verbindung zu den Ermittlungen, als jemanden, den sie anrufen und anbrüllen konnten und vor dem sie sich ihrer Tränen nicht schämen mussten. Im Lauf der Zeit würde eine Beziehung entstehen - ob symbiotisch oder feindlich, aber auf jeden Fall irgendeine Art von Beziehung.
Während er immer noch vor der Tür stand - niemand hatte ihn hineingebeten -, erklärte Decker in kurzen Sätzen, was geschehen war. Doch seine Worte verhallten ungehört.
Jills Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. Als sie sprach, klang es eher wie ein Zischen. »So gut kennen Sie ihn doch gar nicht. Sie könnten sich geirrt haben.«
»Vielleicht sollten wir erst einmal ins Haus gehen«, sagte Decker.
Verständnislos starrten die beiden ihn an. Aus Jills spitzer, geröteter Nase tropfte Schleim auf ihren Pullover. Carters Gesicht schimmerte grünlich - der Schock hatte ihn offenbar vollkommen paralysiert. Er trug ein Arbeitshemd und Jeans. Decker senkte den Kopf und trat über die Schwelle. Widerstandslos wichen sie einen Schritt zur Seite und ließen ihn passieren. Carter sackte auf einem Stuhl zusammen und kämpfte einen Anfall von Übelkeit nieder, den Kopf zwischen den Knien. Doch dann war es Jill, die plötzlich in Richtung Badezimmer davonstürzte. Sie hörten, wie sie sich übergab. Carter flüsterte: »Wissen Sie das auch ganz genau? Wie können Sie so sicher sein?«
»Der Campausbilder - Corporal Tarpin - hat ihn eindeutig identifiziert.«
»O mein Gott.« Tränen liefen dem Mann über die Wangen. »Und wenn er sich doch geirrt hat?«
Bittend, flehend. Es war einfach erschütternd.
»Das ist leider nicht der Fall, Mr. Golding. Ich habe ihn auch gesehen.«
Wieder dieses unerträgliche Schweigen. Bald würden die Fragen kommen. Zunächst nur zögernd, doch später immer drängender, und jede Auskunft würde die Eltern nur noch wütender machen. Decker war dieses Muster nur allzu vertraut.
»Ein Glück, dass ich zu Hause war«, sagte Carter.
Eine typisch männliche Reaktion. Er war da gewesen, um sich um seine Frau zu kümmern. Carter konnte nicht wissen, was Decker längst aus Erfahrung wusste: dass seine Frau keinen Wert auf seinen Schutz oder seine Fürsorge legte. Sie hatte nur noch einen Wunsch: Sie wollte ihren Sohn zurück, und wenn das nicht möglich war, dann konnte auch der Mann ihr in diesem Moment keine Hilfe sein.
Carter blickte auf. »Wenigstens war sie nicht allein, als sie es erfuhr.« Eine Pause. »Und Sie sind sich wirklich sicher?«
»Ganz sicher.«
Carter wies auf einen Stuhl.
Decker setzte sich.
»Was...« Mehr brachte er nicht heraus.
»Vielleicht sollten wir lieber auf Ihre Frau warten. Sie wird es auch wissen wollen, Sir. Sie wird es wissen müssen.«
Carter widersprach nicht. Schließlich kam Jill zurück, blass, mit fleckiger Haut und zitternden Händen.
Carter sagte: »Er wollte gerade erzählen...«
Schweigen.
Sie biss sich auf
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