Der Väter Fluch
fragte Decker.
»Ja, meine Schwester.« Jill gab ihm die Nummer. »Ich glaube, das bringe ich nicht fertig.«
»Ich werde sie sofort informieren.«
»Ich gehe nach oben ins Schlafzimmer.«
»Soll ich Sie begleiten?«
»Nein, es geht schon...« Sie wankte zur Treppe - eine alte Frau, mit unsichtbaren Ketten gefesselt, von denen sie sich nie wieder befreien könnte. Nach ein paar Stufen blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. Ihre Stimme war tränenerstickt. »Wann wollten Sie Karl sprechen?«
»So bald wie möglich.«
»Kommen Sie in einer Stunde wieder.« Sie ging weiter.
Decker sah sich suchend in dem mit Möbel voll gestopften Wohnzimmer um, bis er schließlich das Telefon entdeckte. Es gab drei Leitungen; eine davon war belegt, der Knopf leuchtete rot. Decker drückte den Knopf für den zweiten Anschluss und rief Jills Schwester an. Sie hieß Brook. Er bat sie, sofort zu kommen. Als sie nach dem Grund fragte, sagte Decker, er würde ihr alles erklären, sobald sie da wäre. Er hatte es sich zur Regel gemacht, solche Nachrichten nicht am Telefon zu übermitteln.
Carter kam zurück. »Wo ist meine Frau?«
»Oben im Schlafzimmer«, antwortete Decker. »Ich warte auf ihre Schwester.«
»Auf welche? Auf Brook?«
»Ja. Gibt es denn noch mehr?«
»Philippa«, sagte Carter. »Sie lebt in San Diego. Jill hat kein sehr enges Verhältnis zu ihr. Aber sie muss es wohl auch... erfahren.« Sein Blick wanderte ziellos durch den Raum. »Ich muss... zur Schule fahren. Man hat Karl aus der Klasse geholt. Ich habe niemandem gesagt, warum... nur, dass es sich um einen Notfall handelt.«
»Soll ich das für Sie übernehmen?«, bot Decker an. »Nicht um ihn auszufragen, nur so >als Taxiservice, damit Sie bei Ihrer Frau bleiben können.«
Carter starrte auf einen Punkt hinter Deckers Schulter. »Keine Fragen?«
»Nein, zumindest nicht während der Fahrt. Ihre Frau sagte, ich könne in einer Stunde zurückkommen, um mit Ihrem Sohn zu sprechen.«
Carter schwieg.
»Oder...«, begann Decker wieder, »ich bleibe hier und warte auf Brook. Dann könnten Sie losfahren und Ihren Sohn abholen.«
Carter schüttelte verwirrt den Kopf, Tränen in den Augen. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Was meinen Sie denn?«
»Soll ich ganz ehrlich sein? Ihrer Frau können Sie im Moment sowieso nicht helfen. Sie hat einen Schock. Aber Ihr Sohn wird Sie brauchen. Und er wird sich später daran erinnern, wer damals gekommen ist, um ihn abzuholen. Falls Sie sich nicht in der Lage fühlen, selbst zu fahren, bestelle ich einen Wagen für Sie.«
»Nein, ich kann fahren.« Carter kramte in seinen Taschen und zog die Autoschlüssel heraus. »Bis zur Schule sind es nur zehn Minuten. Das schaffe ich schon.«
Decker nickte.
»Und Sie warten hier auf Brook?«
»Ja, Sir.«
»Werden Sie es ihr sagen?«
»Wenn Sie möchten.«
»Ja, ich glaube schon...« Er wischte die Tränen weg. »Ich muss wohl auch noch meinen Geschwistern Bescheid geben. Ich habe noch zwei jüngere Brüder.« Seine feuchten Augen blickten starr vor Kummer. »Gott sei Dank, dass meine Eltern nicht mehr leben.
«
Karl hatte ebenfalls einen breiten Brustkorb und Arme wie ein Gewichtheber, woraus Decker schloss, dass irgendwo in der ektomorphen Ahnenreihe der Goldings auch noch ein mesomorphes Gen herumstreunen musste. Karls Haut war hell und noch bartlos und sein Gesicht von Eiterpickeln übersät. Seine Augen hatten einen dunkleren Blauton als die seines Bruders und waren um die Iris herum gerötet. Seine Nase schimmerte ebenfalls rot. Er starrte Decker wie einen leblosen Gegenstand an.
»Nur ein paar Fragen, Karl«, begann Decker. »Sag mir einfach, wenn es dir zu viel wird.«
»Okay.« Seine Stimme war nur ein Flüstern. »Ist es wichtig, dass wir jetzt gleich darüber reden?«
»Ja.«
Der Junge wich seinem Blick aus. »In Ordnung.«
Sie saßen auf einem Ledersofa im Zimmer des Jungen, das ungefähr die Ausmaße von Deckers Wohnzimmer hatte. Die Wände dieses Raums waren genauso lehmfarben verputzt wie die im übrigen Haus. Möbel gab es sehr wenige: ein Bett, ein Schreibtisch mit Computer, ein Fernseher auf einem Rollwagen und Regale, die mehr Videos als Bücher enthielten. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, und im Zimmer herrschte eine Grabeskälte.
»Als Erstes möchte ich dir mein Beileid aussprechen«, begann Decker.
Tränen liefen dem Jungen über die Wangen. Er wischte sie weg.
»Dein Bruder hat mir im Lauf der Zeit viele Dinge anvertraut«, fuhr Decker
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