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Der Vampir der mich liebte

Der Vampir der mich liebte

Titel: Der Vampir der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Seine Stimme klang derart ernst und bedrohlich, dass ich mir gleich vornahm, selbst besonders höflich zu sein. Nur um sicherzugehen.
    »Okay. Das war wohl nicht besonders nett«, gab sie zu. Ihr Tonfall war jetzt viel weicher und zurückhaltender. »Nun, am nächsten Abend wollten wir uns wieder treffen. Also habe ich mich weggestohlen und bin zu ihm nach Hause gefahren. Aber er musste dann weg, zu seiner Schwester - zu dir? Bist du seine einzige Schwester?«
    Ich nickte.
    »Er sagte, ich solle bleiben, er wäre bald wieder da. Ich wollte mit ihm mitfahren, und er sagte, wenn seine Schwester nicht gerade Besuch hätte, wäre das schon okay. Doch sie hätte Vampire zu Gast, und er wolle nicht, dass ich mit denen zu tun bekäme.«
    Ich schätze, Jason ahnte, was ich von Crystal Norris halten würde, und wollte es sich einfach ersparen, es sich anzuhören. Also nahm er sie gar nicht erst mit.
    »Und ist er wieder nach Hause gekommen?«, fragte Calvin und stupste sie aus ihren Träumereien.
    »Ja«, sagte sie, und ich verkrampfte mich.
    »Was ist dann passiert?«, sagte Calvin, als sie wieder eine Pause machte.
    »Ich weiß nicht so genau«, erwiderte sie. »Ich war im Haus und wartete auf ihn, und dann hörte ich sein Auto und dachte, Klasse, da ist er ja, jetzt geht die Party los. Aber er kam nicht die Stufen herauf, und ich fragte mich, was ist los? Natürlich war die Außenbeleuchtung an, aber ich bin nicht ans Fenster gegangen. Ich wusste ja, dass er es war.« Natürlich, ein Werwolf erkannte jemanden schon am Schritt oder würde seinen Geruch wahrnehmen. »Ich habe die Ohren gespitzt«, fuhr sie fort, »und gehört, wie er ums Haus herumgegangen ist. Na, dann kommt er wohl durch die Hintertür herein, dachte ich, warum auch immer - schmutzige Stiefel oder so was.«
    Ich holte tief Luft. Gleich würde sie auf den springenden Punkt kommen. Ich wusste es.
    »Und dann hörte ich hinter dem Haus, noch ein ganzes Stück von der Veranda weg, plötzlich jede Menge Krach, lautes Schreien und so, und dann nichts mehr.«
    Wenn sie keine Gestaltwandlerin gewesen wäre, hätte sie nicht so viel gehört. Na also, wusste ich's doch, dass ich noch eine gute Seite an ihr entdecken würde, wenn ich mich nur genug anstrengte.
    »Bist du rausgegangen und hast nachgesehen?«, fragte Calvin. Er strich Crystal über die schwarzen Locken, als würde er seinen Lieblingshund streicheln.
    »Nein, Sir, das habe ich nicht getan.«
    »Hast du etwas gerochen?«
    »Ich war nicht dicht genug dran«, gab sie verdrossen zu. »Der Wind kam aus einer anderen Richtung. Ich roch Jason und Blut. Und vielleicht noch zwei, drei andere Dinge.«
    »Was zum Beispiel?«
    Crystal sah auf ihre Hände hinab. »Gestaltwandler, glaub' ich. Einige von uns können sich verwandeln, auch wenn kein Vollmond herrscht. Ich kann das nicht. Sonst hätte ich auch noch mehr Gerüche wahrgenommen«, sagte sie beinahe entschuldigend zu mir gewandt.
    »Vampire?«, fragte Calvin.
    »Ich habe noch nie einen Vampir gerochen«, sagte sie aufrichtig. »Ich weiß nicht.«
    »Hexen?«, fragte ich.
    »Riechen die anders als normale Menschen?«, fragte sie zweifelnd zurück.
    Ich zuckte die Achseln. Das wusste ich nicht.
    Calvin fragte weiter: »Was hast du danach getan?«
    »Irgendwas hatte Jason in den Wald geschleppt, das wusste ich. Und da bin ich ... ich hab' Panik gekriegt. Ich bin eben nicht tapfer.« Sie zuckte die Achseln. »Ich bin zurück nach Hause. Mehr konnte ich nicht tun.«
    Ich versuchte, nicht zu weinen, doch die Tränen rollten mir einfach über die Wangen. Zum ersten Mal gestand ich mir selbst ein, dass ich nicht sicher war, ob ich meinen Bruder je lebend wiedersehen würde. Doch wenn die Angreifer beabsichtigt hatten, ihn zu töten, wieso hatten sie seine Leiche dann nicht einfach hinter dem Haus liegen lassen? Wie Crystal schon richtig sagte, am Abend des Neujahrstags war kein Vollmond gewesen. Es gab da draußen Wesen, die nicht auf den Vollmond zu warten brauchten...
    Es war schlimm. Mit dem Wissen über all die Geschöpfe, die außer uns noch auf der Welt existierten, konnte ich mir genauestens ausmalen, dass es auch welche gab, die Jason vielleicht auf einen Satz verschlingen würden. Oder mit ein paar Bissen.
    Ich durfte mir diese Gedanken einfach nicht erlauben. Obwohl mir immer noch die Tränen herunterliefen, rang ich mich zu einem Lächeln durch. »Vielen Dank«, sagte ich höflich. »Es war wirklich nett, dass du dir Zeit für mich genommen hast. Ich

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