Der Vampir der mich liebte
weiß, du hast auch noch andere Dinge zu tun.«
Crystal sah mich misstrauisch an, aber ihr Onkel Calvin griff nach meiner Hand und tätschelte sie, was jeden zu überraschen schien, sogar ihn selbst.
Er brachte mich bis zum Auto. Wolken zogen sich am Himmel zusammen, die Kälte ließ mich schaudern, und der Wind zerrte an den kahlen Büschen, die im Vorgarten angepflanzt waren. Ich erkannte Forsythien und Spiersträuche und sogar einen Tulpenbaum. Darum herum würden bestimmt Narzissen und Schwertlilien wachsen - die gleichen Blumen, die im Garten meiner Großmutter immer blühten, die Pflanzen, die in den Gärten der Südstaaten schon seit Generationen wuchsen. Im Moment sah alles trostlos aus. Im Frühling aber würde es sicher charmant und pittoresk wirken, wenn Mutter Natur die Armut dieses verfallenen Dorfs wieder malerisch vergoldete.
Ein paar Häuser weiter die Straße hinunter tauchte hinter einem Schuppen ein Mann auf und blickte in unsere Richtung. Nach einem Augenblick lief er mit großen Schritten zurück in sein Haus. Er war zu weit weg gewesen, als dass ich mehr von ihm erkannt hätte als sein volles helles Haar. Aber seine Zurückhaltung war phänomenal. Die Leute hier draußen mochten Fremde nicht nur nicht, sie waren geradezu allergisch gegen sie.
»Das da drüben ist mein Haus.« Calvin zeigte zu einem sehr viel solideren, kleinen Haus hinüber, das erst kürzlich weiß gestrichen worden war. Alles war in tadellosem Zustand rund um Calvin Norris' Haus. Die Auffahrt und der Parkplatz waren klar abgegrenzt, der ebenfalls weiße Geräteschuppen zeigte keinen Rostflecken und stand auf sauberem betoniertem Boden.
Ich nickte. »Es sieht sehr hübsch aus«, sagte ich. Meine Stimme zitterte kaum noch.
»Ich möchte Ihnen ein Angebot machen«, sagte Calvin Norris.
Ich versuchte, Interesse zu zeigen, und drehte mich zu ihm herum.
»Sie sind jetzt eine schutzlose Frau«, begann er. »Ihr Bruder ist weg. Ich hoffe, er kommt wieder. Aber solange er vermisst wird, haben Sie niemanden, der für Sie einsteht.«
In dieser kleinen Ansprache steckten eine ganze Menge Irrtümer, doch ich war nicht in der Verfassung, darüber eine Diskussion mit ihm zu führen. Er hatte mir einen großen Gefallen getan, indem er Crystal zum Reden gebracht hatte. Jetzt stand ich da im kalten Wind und versuchte, höflich interessiert zu erscheinen.
»Wenn Sie einen Ort zum Verstecken brauchen, wenn jemand Ihnen den Rücken freihalten oder Sie verteidigen soll, dann bin ich Ihr Mann«, sagte er. Mit seinen goldgrünen Augen sah er mir direkt ins Gesicht.
Okay, ich erklär' euch, warum ich das nicht sofort mit einem Prusten abtat: Er spielte sich nicht als Überlegener auf. Ganz im Einklang mit seiner Moral verhielt er sich so nett, wie es ihm möglich war, und bot mir seinen Schutz an. Natürlich war das »Dann bin ich Ihr Mann« in jeder Hinsicht so gemeint und bezog sich nicht nur auf die Rolle als Beschützer. Aber er war nicht anzüglich. Calvin Norris bot mir an, sich um meinetwillen in Gefahr zu begeben. Und er meinte es so. So etwas tat ich nicht einfach verächtlich ab.
»Danke«, erwiderte ich. »Ich werde nicht vergessen, was Sie gesagt haben.«
»Ich hatte von Ihnen schon gehört«, sagte er. »Gestaltwandler und Werwölfe reden ja so dies und das untereinander. Es heißt, Sie sind anders.«
»Das bin ich.« Normale Männer mögen meine äußere Verpackung attraktiv finden, aber der Inhalt stößt sie immer ab. Sollten mir je die Aufmerksamkeiten von Eric oder Bill oder auch Alcide zu Kopf steigen, brauchte ich nur den Gedanken einiger Stammgäste der Bar zuzuhören, um meinem Ego einen Dämpfer zu verpassen. Ich zog meinen alten blauen Mantel enger um mich. Wie die meisten Gestaltwandler hatte Calvin ein Körpersystem, das ihn Kälte nicht so intensiv spüren ließ wie mich mein menschlicher Stoffwechsel. »Ich bin anders, aber keine Gestaltwandlerin, obwohl ich natürlich Ihre, äh, Freundlichkeit zu schätzen weiß.« Deutlicher wagte ich nicht nachzuhaken, warum er sich so interessiert zeigte.
»Ich weiß.« Er nickte anerkennend, mein Taktgefühl schien ihm zu gefallen. »Das macht Sie sogar noch ... Die Sache ist die, hier in Hotshot haben wir einfach zu viel Inzucht. Sie haben gehört, was Crystal sagt. Sie kann ihre Gestalt nur bei Vollmond wandeln, und selbst dann erreicht sie nicht die vollständige Kraft.« Er deutete auf sein eigenes Gesicht. »Meine Augen gehen kaum als menschlich durch. Wir brauchen
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