Der Vampirprinz: Royal House of Shadows (German Edition)
unsanft auf dem moosbewachsenen Ufer ankam. Er versuchte aufzustehen, aber er fand nicht die Kraft dazu. Er musste nach Nahrung suchen. Jane musste am Verhungern sein. Er musste ihnen einen Unterschlupf bauen. Die Insekten fraßen diese Frau sonst bei lebendigem Leibe auf. Er musste Wache stehen. Ihr durfte nichts geschehen.
„Entspann dich“, sagte sie.
„Schützen“, murmelte er.
„Ja, ich beschütze dich.“ Sanfte Hände strichen ihm über die Stirn.
„Nein, ich …“ Er sank in eine tiefe Bewusstlosigkeit, ehe er ein weiteres Wort sagen konnte.
Nicolai …
Die tiefe männliche Stimme, die nach ihm rief, kam ihm vertraut vor. Sie sprach immer in seinen Träumen zu ihm, wenn seine Verteidigung geschwächt war, aber jetzt war sie lauter als jemals zuvor. Und … geliebt?
Nicolai … Zeit … Rette …
Und weit entfernt vernahm er das Tick, Tick, Tick einer Uhr.
„Wer bist du?“, verlangte er zu wissen.
Ein Bild blitzte in seinen Gedanken auf. Nicht vom Sprecher, sondern von riesigen grotesken Monstern, die auf ihn zukrochen. Jedes hatte acht Beine mit scharfen, tödlichen Krallen. Sie waren schwarz und behaart, ihre Augen groß und glänzend, ihre Schwänze spitz und auf ihn gerichtet. Sie starrten ihn an, als wäre er eine schmackhafte Zwischenmahlzeit. In seiner Kehle stieg Galle hoch, aber er ging weiter und ignorierte sie.
„Wo bist du? Was kann ich tun?“
Nicolai … Bruder … Werde gesund und komm. Zeit … Retten …
Bruder? Nicolai versuchte, sich einen Bruder vorzustellen. Nichts. Er konnte sich auch seine Mutter nicht vorstellen. Oder seinen Vater. Selbst in seinen Träumen explodierte der Schmerz in seinem Kopf und verschloss die Erinnerungen.
Tick, tick, tick.
Töte , sagte eine andere männliche Stimme, ebenso vertraut. Sie klang tiefer und härter.
Verdammt. Er musste herausfinden, wer mit ihm sprach. Musste es wissen. Musste, musste, musste. Leben – und Tod – ruhten auf seinen Schultern.
Während er darüber nachdachte, wer sie waren, warf er sich von einer Seite auf die andere, und seine Hand traf auf etwas Festes und Warmes.
Er hörte ein Keuchen. Aus irgendeinem Grund verstärkte der Schmerz der Frau seine Aufregung nur noch. Beschützen …
„Es ist alles in Ordnung. Du musst dir keine Sorgen machen“, sagte sie beruhigend. „Ich bin hier. Du bist jetzt in Sicherheit.“
Jane, dachte er und wurde ruhig. Seine Jane. So eine süße Stimme, so ein hübsches Gesicht. So eine autoritäre Persönlichkeit, einer Königin angemessen. Sie war in der Nähe.
Werde gesund … Zeit … Retten …
Ja, dachte er. Mit Jane an seiner Seite konnte er alles tun. Gesund werden und sogar die Macht auffüllen, die er verbraucht hatte. Er entspannte sich und versank freiwillig wieder in der Bewusstlosigkeit. Dieses Mal hatte er ein Ziel.
7. KAPITEL
J ane verbrachte zwei Tage damit, Vorräte zu sammeln und Waffen zu bauen. Dabei entfernte sie sich nie weit von Nicolai, der noch bewusstlos war, für den Fall, dass er sie brauchte oder sie unerwarteten Besuch bekamen, also waren ihre Vorräte beschränkt. Es war ihr allerdings gelungen, einige essbare Früchte und Nüsse zu finden. Aus kleinen dünnen Zweigen und Pfefferminzblättern hatte sie erstaunlich effektive Zahnbürsten gebastelt, die sie großzügig bei ihm und sich selbst verwendete.
Weil sie in der Nähe eines Flusses waren, fiel es leicht, den Patienten zu baden. Tatsächlich hatte es wohl noch nie zwei sauberere Menschen gegeben, die in der Wildnis gefangen saßen. Nicolai war nicht mehr eingeölt, seine Haut war rosig geschrubbt, und doch duftete er stärker nach Sandelholz als je zuvor. Jedes Mal, wenn sie seinen Duft einatmete, begann ihr Körper zu kribbeln, ihr Blut erhitzte sich, und ihr lief das Wasser im Mund zusammen.
Dazu kam, dass sie beim Waschen ihre Hände über seinen ganzen Körper gleiten lassen musste. Und so schmutzig, wie er gewesen war – hust, hust –, hatte sie ihn oft waschen müssen. Diese Muskeln – so hart, prall gespannt und mit Sehnen verwoben. Diese Spur aus Haaren, die von seinem Nabel hinabführte … verlockte sie immer dazu, ungezogen zu sein.
Und Gott, sie schämte sich immer mehr.
Nicolai begehrte sie vielleicht, aber er brauchte wohl kaum eine weitere Frau, die nach ihm lechzte, während er hilflos dalag. Und erst recht keine grapschende Frau, die ihn ohne Erlaubnis anfasste, und Jane hatte sein Vertrauen bereits bis an die Grenzen strapaziert, indem sie ihn gewaschen hatte
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