Der Vampyr
Blut trinken, weder das eines Menschen, noch das eines anderen Vampyrs. Sollte sein Leben nach fünfzig oder sechzig Jahren enden. Er hatte nicht um diese Art von Unsterblichkeit gebeten.
»Nun?«, fragte Vlad. Er hatte lange Zeit geschwiegen und Andrej nur angesehen, auch diesmal ganz so, als hätte er geahnt, was hinter Andrejs Stirn vorging, und als wollte er ihm ausreichend Zeit geben, eine Entscheidung zu treffen. Vermutlich war es im Moment nicht sonderlich schwer, in seinem Gesicht zu lesen.
»Du solltest dich mit Abu Dun zusammentun, Vlad«, sagte Andrej finster.
»Das heißt, du nimmst an«, sagte Vlad. Er stand auf.
»Du tötest Tepesch. Was du mit den beiden Goldenen machst, ist mir gleich, aber du tötest Dracul. Dafür bringe ich dich und den jungen hier weg.«
»Ja«, sagte Andrej. Ihm war nicht wohl dabei. Er konnte nicht sagen, warum, aber er hatte das Gefühl, einen wirklich schlechten Handel abgeschlossen zu haben. Trotzdem erhob er sich ebenfalls und streckte die Hand aus, um ihren Pakt zu besiegeln. Abu Dun fuhr mit einer schnellen Bewegung dazwischen.
»Nicht so rasch«, sagte er. Vlad fuhr mit einem ärgerlichen Zischen herum.
»Was mischst du dich ein, Heide?« Abu Dun schluckte die Beleidi-gung ohne irgendein äußeres Zeichen von Ärger herunter.
»Immerhin geht es auch um meinen Hals«, sagte er ruhig.
»Woher sollen wir wissen, das du Wort hältst?«
»Vielleicht allein deshalb, weil du diese Frage stellen kannst, Heide«, sagte Vlad verächtlich.
»Ich habe mein Leben riskiert, um die euren zu retten! Wenn du wissen willst, was Tepesch mit Verrätern macht, dann frag deinen Freund.«
»Und wie willst du uns von hier fortbringen?« Abu Dun wirkte keineswegs überzeugt.
»Ich bin vielleicht der letzte meiner Sippe, aber nicht der letzte meines Volkes«, antwortete Vlad.
»Es sind andere Roma in der Nähe. jetzt, wo Selics Heer zerschlagen ist, werden sie nach Petershausen kommen. Ihr könnt euch oh-ne Probleme unter sie mischen und mit ihnen weiterziehen. Nicht einmal du würdest unter ihnen auffallen, Mohr.«
»Und sie würden uns aufnehmen?«
»Wenn ich sie darum bitte, ja«, antwortete Vlad. Er drehte sich wieder zu Andrej um.
»Dann sind wir uns einig?« Diesmal hielt Abu Dun ihn nicht mehr zurück, als er Vlads ausgestreckte Hand ergriff.
13
Burg Waichs erhob sich wie ein Stück geronnener Schwärze gegen den Nachthimmel. Es war genau dieses Bild, das Andrej beim Anblick der Burg durch den Kopf schoss. Kein Vergleich wäre in diesem Moment treffender gewesen. Der massige Turm reckte sich scheinbar endlos hoch über ihnen in den Himmel, eingebettet in das kantige Muster der Nebengebäude und Mauern. Sie sahen nur Schwärze, flache Dunkelheit ohne Details und Tiefe, als hätte sich die Nacht vor ihnen zu substanzloser Materie zusammengeballt.
Andrej war nicht der Einzige, den der Anblick mit Unbehagen er-füllte. Auch Abu Dun war immer stiller geworden, je weiter sie sich Draculs Burg näherten. Selbst die Pferde waren unruhig. Ihre Ohren zuckten nervös, und manchmal tänzelten sie und versuchten auszubrechen, fast als spürten sie mit ihren feinen Instinkten eine Gefahr.
»Ab hier gehen wir besser zu Fuß weiter.« Obwohl sie noch gute fünfhundert Meter von der Burg entfernt sein mussten, hatte Vlad die Stimme zu einem Flüstern gesenkt. Andrej versuchte, seine düsteren Gedanken zu verscheuchen. An der Burg war nichts Überna-türliches und die Schatten ringsum waren nicht mehr als Schatten.
Das Einzige, wovor er sich in Acht nehmen mußte, war seine eigene Fanta sie, die ihn mit immer schlimmeren Trugbildern narrte. Sie hatten auf dem Weg hierher Dinge gesehen, die, ihn noch immer verfolgten und es wahrscheinlich auch noch lange Zeit tun würden.
Draculs Heer hatte das türkische Lager vollkommen zerstört, und er war auf der Jagd nach Überlebenden äußerst erbarmungslos gewesen. Nun beschäftigte sich das Heer auf sein ganz spezielle Art mit den Gefangenen … Trotz Vlads Ankündigung ritten sie noch ein gutes Stück weiter ehe der Roma ihnen endgültig das Zeichen zum Absitzen gab und sich als Erster aus dem Sattel schwang. S
befanden sich auf der Rückseite der Burg. Der Wald der ansonsten sorgsam gerodet worden war, um einer anrückenden Feind keine Deckung zu bieten, reicht an dieser Stelle bis auf knapp fünfzig Meter an die Festungsmauern heran, was einem potentiellen Angreifer aber keinen Vorteil brachte. Vor ihnen lagen nur die gewaltigen Mauern
Weitere Kostenlose Bücher