Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
Vom Netzwerk:
musterte mich, versuchte wohl einzuschätzen, wie verzweifelt ich war. Was ich auszuhalten vermochte.
    «Ich hatte auch einen Sohn», begann er. «Maxwell. Er ist im Kindergarten an einer Möhre erstickt, als ich bei einem Kampfeinsatz im Jemen war. Seine Mutter hatte ihm eine Brotzeit mitgegeben. Äpfel und Möhren. Nichts Süßes, nur Gesundes. Es waren kleine, junge Möhren, wie man sie abgepackt bekommt. Er war drei Jahre alt.»
    «Das tut mir sehr leid», sagte ich.
    «Es gibt Extrasärge für Kleinkinder», fuhr er fort. «Ich wusste das vorher nicht. Ich meine, es ist nur verständlich, aber man denkt nicht darüber nach, oder? Und dann sieht man so ein Ding, und es kommt einem vor wie … ein Schmuckkästchen für Kinder.»
    «Es ist schrecklich ungerecht», sagte ich, «was wir durchzustehen haben.»
    Er trocknete sich die Hände mit einem Papiertuch ab, langsam und sorgfältig. «Sie wollen wissen, ob ich Ihrem Sohn aufgetragen habe, einen Senator zu töten? Ob ich ihm diesen Gedanken eingeflüstert habe. Oder sogar mehr. Ob ich ihn vor der Veranstaltung in Royce Hall getroffen und ihm eine unregistrierte Pistole zugesteckt habe. Ob ich sein Führer war, ihn gesteuert habe. Sie wünschen sich, dass Ihr Sohn ein Instrument, ein Werkzeug war.»
    Ich nickte.
    «Aber so war es nicht», sagte er. «Ich kann Ihnen acht Zeugen nennen, die aussagen werden, dass ich an dem Tag in Dallas war.»
    «Ein Alibi ist nicht immer die Wahrheit», sagte ich.
    Er dachte darüber nach. «Ich weiß nicht, woher er die Pistole hatte», sagte er.
    «Aber Sie haben ihm gesagt, er soll sie benutzen.»
    «Warum hätte ich das tun sollen?»
    «Weil Sie für KBR arbeiten», antwortete ich. «Und die wollten Seagram aus dem Weg haben. Sie haben Danny im Zug kennengelernt und ihn dazu gebracht mitzumachen.»
    Hoopler griff gedankenverloren nach einem weiteren Papiertuch und wischte damit das Waschbecken aus. «Nach dem Tod meines Sohnes», sagte er, «habe ich darum gebeten, an die Front geschickt zu werden. Sogar noch weiter als die Front, so tief hinein ins Dunkel, wie es nur ging. Am Tag, an dem mein Sohn beerdigt wurde, befand ich mich hundertsechzig Kilometer hinter den feindlichen Linien. Wir krochen durch den Dreck, wir waren zu sechst. Wir ließen uns Bärte wachsen und trugen die Kleidung der Einheimischen. Wir hatten Messer bei uns und mussten unsere eigene Pisse trinken. Nicht immer, aber oft genug.»
    «Warum waren Sie in dem Zug?», fragte ich. «Sie und Cobb.»
    Ich benutzte Cobbs Namen wie eine Waffe. Er sollte wissen, dass ich mit den Einzelheiten vertraut war. Ich war kein Amateur, ich ging hier nicht meinem Hobby nach. Ich würde meinen Sohn retten, würde Hoopler die Wahrheit von den Lippen reißen, wie auch immer sie aussah.
    «Meine Frau hat mir Briefe geschrieben», sagte er, «aber ich habe ihr nicht geantwortet. Ich hatte Angst vor dem, was ich ihr schreiben würde.» Er wischte mit einem nassen Papiertuch über den Spiegel vor sich, rieb über einen Fleck direkt vor seinem Gesicht, als versuchte er, alle Spuren von sich zu verwischen. «Ich meine, was für ein Aufwand ist es denn, ein halbes Dutzend Möhren zu zerschneiden?», sagte er. «Man kann sie der Länge nach oder in kleine Stücke schneiden. Was wollte sie da noch von mir hören? Er war ein kleiner Junge, der Möhren mochte. Sie war seine Mutter. Sie hätte ihn beschützen sollen.»
    «Mein Sohn hat seinen Hinrichtungstermin bekommen», sagte ich. «Sie werden ihn töten.»
    «Unter den Landsleuten haben wir uns hauptsächlich mit Gesten verständigt», sagte Hoopler. «Englisch war tabu. Jemand hätte es hören können. Wir waren in den Bergen, an Orten, deren Namen ich nicht nennen darf. Sechs Männer mit Messern, die nicht zum Spaß gekommen waren. Cobb war einer von uns. Er hat immer an seinen Lippen genagt, hatte nervöse Hände, aber er konnte aus einem Kilometer Entfernung das Auge aus einer Kartoffel schießen.»
    Da war sie. Die Verbindung. Das Licht über uns flackerte, stotterte.
    Hoopler zerknüllte das nasse Papier in seinen Händen. Er fuhr fort: «In so einem Trupp hält man zusammen. Man würde eine Granate verschlucken, um seine Kameraden zu retten. Das heißt nicht, dass man sie unbedingt mag. Cobb war ziemlich durchgeknallt. Er polierte seine Schuhriemen. Ich glaube, die Höhe hat ihn halb wahnsinnig gemacht, aber er konnte mit einer Pistole eine Panzerabwehrrakete aus der Luft holen. Da lernte man, sein komisches Verhalten zu

Weitere Kostenlose Bücher