Der Vater des Attentäters (German Edition)
ignorieren.»
«Er ist erstochen worden», sagte ich. «Vor ein paar Monaten. Mit sechzehn Stichen, unter einer Straßenüberführung.»
Er nickte. Falls es ihn überraschte, ließ er es sich nicht anmerken. Er warf den Papierball in den Müll und achtete dabei darauf, das Metall nicht zu berühren. «Ein paar Missionen später hat er einen Schrapnellsplitter abbekommen und wurde entlassen. Und ich hab mir gedacht, völlig unmöglich, dass dieser Kerl zurück in die normale Welt findet, wo er sich einen Job suchen und seine Gasrechnung bezahlen muss, wo man mit Worten und nicht mit Fäusten kommuniziert. Völlig undenkbar. In der gleichen Zeit war ich mit einem bestimmten Privatunternehmen im Gespräch.»
« KBR .»
Er zuckte mit den Schultern. «Warum sollten meine Kampfeinsätze umsonst gewesen sein?», sagte er. «Ich hatte schließlich Fähigkeiten, Knowhow. So etwas hat seinen Wert.»
Ich antwortete nicht. Was sollte ich dazu schon sagen?
«Meine Frau hat zwei Jahre gebraucht, um sich von mir scheiden zu lassen», erklärte er mir. «Ich habe nie angerufen, nie geschrieben. Worauf hat sie nur gewartet?»
Mir war schwindlig. «Könnten – Sie – bitte – über – meinen – Sohn – reden?», sagte ich. «Sagen Sie mir, was geschehen ist.»
Er stand reglos da, gegen das Waschbecken gelehnt. Er hatte es gelernt, sich in einer Umgebung still zu verhalten, in der ihn jede Bewegung töten konnte. «Sie verschwenden Ihre Zeit», sagte er. «Worauf es ankommt, ist: Er hat es getan. Ihr Sohn. Er hat die Pistole gekauft, hat sie versteckt und am fraglichen Tag hervorgeholt und benutzt. Darauf kommt es an. Auf nichts anderes.»
«Haben Sie ihn dazu angestiftet?», fragte ich. «Haben Sie ihm die Idee in den Kopf gesetzt?»
«Was wollen Sie genau wissen? Ob ich Ihren Jungen einer Gehirnwäsche unterzogen habe? Ob ich ihm Befehle in seine Medulla oblongata, in sein Unterbewusstsein gepflanzt habe? Er war gerade mal zwanzig, ziellos und, wenn ich ehrlich sein soll, etwas daneben. Ich bin mit zwanzig in die Army eingetreten. Ich war eine Abrissbirne in Kampfstiefeln, bereit, zu töten und für die Vereinigten Staaten von Amerika zu sterben. Die Welt ist voller Zwanzigjähriger, die über zu viel Mut und zu wenig Vernunft verfügen. Dafür taugen junge Männer, für Revolutionen und Morde. Man darf sie nicht alleinlassen. Das College abzubrechen, hat Ihrem Sohn nicht gutgetan. Dagegen hätten Sie etwas tun sollen. Ihm fehlte eine Struktur, die ihm Halt gab, etwas Konkretes, an das er hätte glauben können. Die Ausbildungslager für Terroristen sind voll von zwanzigjährigen Burschen ohne Job, Ziel und positive Vorbilder. Ich meine, so ohne jeden Halt war ihr Sohn ein regelrechtes Geschoss. Er brauchte nur ein Ziel.»
«Und Sie haben ihm eines gegeben?»
Sein Lächeln war eher ein abfälliges Grinsen, als käme ihm das Ausmaß meiner Naivität lächerlich vor. «Es ist jetzt zwei Jahre her», sagte er. «Cobb ging nach Deutschland, und die schnitten ihm den Schrapnellsplitter heraus und schickten ihn wieder nach Hause. Da geriet er völlig aus dem Ruder. Er hat nichts ausgelassen, soff, nahm Drogen, zettelte üble Schlägereien an. Seine Mutter hat sich Sorgen gemacht und wollte ihm irgendwie helfen. In seinem Notizbuch hat sie ein paar Telefonnummern von alten Army-Kumpeln gefunden. Sie hat uns der Reihe nach angerufen, und wie ich schon sagte, auch wenn Sie so einen Kerl nicht unbedingt lieben, gehört er doch zu Ihnen. Also hab ich seiner Mutter gesagt: ‹Ich werde mal sehen, was ich tun kann.› Vielleicht konnte ich den alten Freddy ja dazu bringen, sich freiwillig in die Psychiatrie zu begeben. Oder wenigstens zu einem Therapeuten zu gehen. In Kalifornien bin ich schließlich auf seine Spur gestoßen. Er übernachtete, wo er unterkam, manchmal schlief er in seinem Auto. Ich redete mit Leuten, folgte Hinweisen, und dann meinte einer, er springt auf Züge auf. Cobbs hätte irgendwas davon gesagt, dass er mit einem Güterzug nach L.A. gekommen sei. Also sprang ich auch auf.»
Ich spürte ein Klicken im Magen, als hätte jemand darin gerade eine Bombe scharf gemacht. «Sie wollen sagen, dass Sie in dem Zug nach Cobb gesucht haben?»
«Na ja, wenn einen die Mutter von jemandem bittet», sagte er. «Selbst wenn Sie es nicht wollen, gehen Sie dem doch nach. Ich meine, man stellt sich vor, es wäre die eigene Mutter, oder?»
«Und mein Sohn fuhr zufällig im selben Zug mit?»
«Sie hätten wohl lieber, dass
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