Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
Vom Netzwerk:
Räume dringen. De Niro drückt sich einen blutigen Finger gegen die Schläfe.
    Hinckley sah den Film in jenem Sommer fünfzehnmal, saß in einem halbleeren Kinosaal, eine unangerührte Tüte Popcorn auf dem Schoß. Etwas ging dabei in ihm vor. Eine Verwandlung. Auf der Leinwand schnallt sich De Niro einen Mechanismus an den Arm, mit dem er innerhalb kürzester Zeit mehrere Revolver verwenden kann. Er übernimmt die Kontrolle über das Unkontrollierbare. Er sagt: «Ein Tag ist wie der andere, endlos lang. Ich hatte das Gefühl, völlig isoliert zu leben, ohne Ziel, ohne echte Aufgabe, nur auf mich konzentriert. Ich wusste, was mir fehlte, war ein Mensch.»
    Nach der Vorstellung kehrte Hinckley in seine kakerlakenverseuchte Wohnung zurück, die fast wie die im Film aussah. Er saß im Dunkeln und spielte Gitarre, stellte sich dabei vor, er wäre ein Star. Er schrieb Briefe an seine Eltern, in denen er eine erfundene Freundin beschrieb, die er Lynn Collins nannte und die auf einer der Frauenfiguren im Film basierte. Am nächsten Morgen stand er immer früh auf, damit er der Erste in der Schlange für die Matineevorstellung war.
    Einen Monat später verließ Hinckley Kalifornien und kehrte nach Texas zurück. Er jobbte als Hilfskellner, versuchte ein bescheidenes kleines Leben zu führen. Aber Travis verfolgte ihn. Die finstere, blutrote Seite der Männlichkeit.
    Hinckley schrieb sich an der Texas Tech University in Lubbock ein. Er bemühte sich um einen geordneten Alltag. Er begann Pfirsichschnaps zu trinken und trug eine grüne Armeejacke. Freunde fand er keine. Mitstudenten sagten später aus, dass sie ihn kaum mit anderen Menschen zusammen gesehen hätten. Aber Hinckley hatte einen Freund, einen, der auf der Leinwand lebte.
    «Ein ganzes Leben war ich einsam», erklärte ihm Travis. «Überall. In Kneipen, im Auto, auf der Straße, in Geschäften, überall. Es gibt kein Entrinnen vor der Einsamkeit. Ich bin Gottes einsamster Mann.»
    Im August 1979 kaufte Hinckley seine erste Waffe, eine Pistole, Kaliber 38. Er begann zu trainieren, Zielschießen, die Füße fest auf dem Boden, die rechte Hand um den Pistolengriff, die linke flach darunter, um den Rückschlag aufzufangen. Er wählte Pappmenschen als Ziel und schoss immer auf den Kopf. Er versuchte sich von allen Gedanken zu befreien und drückte den Abzug wie ein Yogi in Trance.
    Im Dezember machte Hinckley ein Foto von sich, auf dem er sich einen Revolver gegen die Schläfe drückt. An einem Abend saß er spät noch am Tisch in der Küche seiner Eltern und lud seinen Revolver mit einer einzigen Kugel. Das Licht war aus, der Schein der Laterne draußen warf Schatten aufs Linoleum. Hinckley ließ die Trommel einrasten und drehte sie. Er bemühte sich, ruhig zu bleiben. Er wollte seine Eltern nicht aufwecken. Er drückte den Abzug, den Lauf an die Schläfe gepresst, ohne die Augen zu schließen.
    1980 kaufte er weitere Waffen. In dieser Zeit litt er unter Kopfschmerzen, sein Hals tat ihm ständig weh. Er ging zum Arzt, der ihm blaue und gelbe Pillen verschrieb. Sie sollten ihm gegen seine Schlafprobleme helfen und seine Stimmung heben. Manchmal warf er sie in eine Cola und sah zu, wie sie sich auflösten.
    Im Mai erfuhr er, dass Jodie Foster, die Schauspielerin, die in Taxi Driver die Kinderprostituierte Iris spielte, in Yale zu studieren begann. Hinckley lieh sich dreitausendsechshundert Dollar von seinen Eltern und fuhr nach Connecticut. Er meldete sich für einen Schreibkurs an und spazierte über den Campus. Er war voller Selbstvertrauen, wusste er doch, dass seine Waffen im Kofferraum seines Wagens lagen. Er fand heraus, in welche Kurse Foster sich eingeschrieben hatte, und beobachtete sie in der Cafeteria. Sie war so schön, dass es ihm wehtat. Er legte ihr Liebesbriefe ins Postfach. Er schrieb ihr Gedichte. Seiner Meinung nach gab es nichts Poetischeres als das Geräusch des Schlaghammers einer Pistole, der auf die flache Rückseite der Patrone traf.
    Er glaubte allmählich zu spüren, dass die Geschichte einen Platz für ihn bereithielt, einen erhöhten Platz im VIP -Bereich. Einen Thron.
    Auf der Leinwand geht Travis eines Abends mit Betsy aus, einer Wahlkampfhelferin, die er in der Stadt kennenlernt, gespielt von Cybill Shepherd. Sie ist ein nettes, anständiges Mädchen. Er nimmt sie einfach mit in einen Pornofilm, was sie zutiefst empört. Darauf läuft irgendwie alles immer mehr aus dem Ruder.
    Hinckley kam auf dem Campus an Jodie Fosters Telefonnummer. Er

Weitere Kostenlose Bücher