Der Vater des Attentäters (German Edition)
anzuhören, warum Banker immer reicher werden, während der Rest von uns darbt. Leid, Geschichten von Familien zu hören, die aus ihrer Heimat vertrieben werden, und von Kindern, die mit leerem Bauch ins Bett gehen. Ich bin es leid, erklärt zu bekommen, ich solle mich vor Menschen fürchten, die ich nie kennengelernt habe. Leid, einen Krieg zu führen, der auf einer Lüge basiert. Ich bin es leid, in einem Land zu leben, in dem Menschen keine Hilfe bekommen, wenn sie krank sind, und es macht mich krank, wenn ich zusehen muss, wie multinationale Konzerne auf unsere Kosten morden. All das bin ich leid, und wenn ich eure Gesichter sehe, weiß ich, dass auch ihr es leid seid.»
Die Leute applaudierten.
«Ihr seid es leid, dass keiner euch anhört. Ihr seid es leid, Steuern zu zahlen, mit denen Munition gekauft wird, um Menschen zu töten, nur weil sie eine andere Sprache sprechen als wir. Ihr seid es leid, die Hälfte eures Einkommens für Benzin ausgeben zu müssen, obwohl die Autohersteller über die Technologien verfügen, unsere Autos zehnmal so energieeffizient zu machen. Heute schon. Sie könnten es heute schon, aber sie tun es nicht. Warum nicht? Seid ihr es nicht auch leid, immer wieder Warum nicht? fragen zu müssen?»
Mittlerweile standen alle. Danny wanderte zwischen ihnen umher, streifte dabei den einen oder anderen Arm. Es herrschte eine knisternde, aufgeladene Stimmung wie vor einem Gewitter.
«Wir sollten nicht länger nur Fragen stellen», sagte Seagram. «Wir sollten Forderungen stellen. Wir fordern eine medizinische Versorgung für alle. Wir fordern Löhne, von denen wir leben können. Wir fordern , dass unsere Politiker nicht länger unsere Steuern erhöhen, während sie gleichzeitig die Unternehmenssteuern senken. Wir sind es leid, Fragen zu stellen. Wir sind lange genug geduldig und höflich gewesen. Aber jetzt ist es damit vorbei.»
Danny stand vor dem Podium und sah, wie Senator Seagram die Arme über den Kopf hob. Die Menge jubelte. Seagram senkte den Kopf, fing Dannys Blick auf und zwinkerte ihm zu.
Am nächsten Tag ging Danny in Seagrams Wahlkampfzentrale an der Guadalupe Street. Er sprach einen Mann an, der Jeans und ein weißes Hemd trug, Walter Bagwell.
«Was kann ich tun?», wollte Danny wissen.
Bagwell gab ihm ein Klemmbrett und Flugblätter und schickte ihn los, für den Kandidaten zu werben. Daniel stellte sich an der Ecke der 22 nd und der Guadalupe Street auf und verteilte die Flugblätter an Studenten. Auf ihnen standen die gleichen Fragen, die Seagram in seiner Rede formuliert hatte, mit einer Website, die man besuchen, und einer Telefonnummer, die man anrufen konnte. An seinem ersten Tag verteilte Danny fünfhundert Flugblätter. Auf dem Weg nach Hause sah er viele davon auf der Straße liegen, die Leute hatten sie in Abfalleimer gestopft oder hinter Scheibenwischer geklemmt. Das kam ihm wie eine Metapher für die Politik selbst vor. Die Entrüstung des einen war der Müll des anderen.
In der Universitätsbibliothek las er alles, was er über den Senator finden konnte. Seagram stammte aus armen Verhältnissen. Sein Vater hatte die Familie verlassen, als Seagram drei Jahre alt war. Das College und sein Jurastudium hatte sich Seagram damit verdient, dass er Schülern Vorbereitungskurse fürs Studium anbot. Als er in Stanford seinen Abschluss machte, hatte er bereits elfhundert Angestellte, und seine Kurse wurden in achtzehn Staaten angeboten. Am Ende verkaufte er das Unternehmen für sechs Millionen Dollar an die Princeton Review .
Danny saß in der Bibliothek und betrachtete Fotos von Seagram und seiner Familie. Seine Frau Rachel war eine hübsche Brünette mit Lachfältchen um die Augen. Sie sah aus wie eine gute Gefährtin, wie die Art Frau, die nie etwas Gemeines sagte, die mit den Kindern spielte, komplizierte Gerichte kochte und ihrem Mann gerne einen blies. Die Kinder hatten wache Augen und rote Backen. Sie sahen aus wie Kinder, die gute Noten bekamen und einen Mannschaftssport betrieben. Glückliche Kinder aus einem intakten Zuhause, die von ihren Eltern geliebt wurden. Kinder, die an Feiertagen und in den Ferien nicht zwischen Mom und Dad hin- und hergeschubst wurden. Kinder, die nie hatten mitanhören müssen, wie ihre Mutter ihren Vater anschrie, dass sie ihn «verdammt noch mal» hasse und sich wünsche, er würde «bei einem beschissenen Autounfall krepieren». Es waren Kinder, die nie dabei zusehen mussten, wie ihr Vater Türen zuknallte und gegen die Wände
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