Der Venuspakt
erzählt, es gäbe einen echten S/M-Bereich mit Verliesen und so. Außerdem
haben sie noch eine VIP-Lounge, in der recht zwielichtige Gestalten verkeh-
ren sollen. Aber das ist mir jetzt egal! Ich werde heute Abend dort hingehen
und ihn verführen!»
Ein ungutes Gefühl beschlich Nuriya, während sie vergeblich versuchte, ih-
rer Schwester den Plan auszureden. Ihr blieb schließlich nichts anderes übrig,
als zu versprechen, sie zu begleiten. Dabei hoffte sie, das Mädchen im Auge
behalten zu können.
Nuriya schlüpfte skeptisch in das Kleid, das Selena ihr für diesen Abend ge-
liehen hatte. Es war eng und betonte ihre Brüste, für ihren Geschmack ein
wenig zu sehr. Außerdem würde sie sehr hohe Schuhe anziehen müssen, um
nicht aus Versehen auf den Saum zu treten.
«Ich habe eben einfach nicht die Figur meiner Schwestern», seufzte sie und
betrachtete misstrauisch ihr Spiegelbild.
Schmale Ärmel öffneten sich trompetenförmig zu fast bodenlangen Zipfeln.
Die hoch angesetzte Taille war mit einer kunstvollen Stickerei in verschiede-
nen Grautönen versehen und eine kleine Schleppe vervollständigte die Illu-
sion, die Gestalt dort im Spiegel stamme mindestens aus einem anderen Jahr-
hundert, wenn nicht gar aus einer anderen Dimension. Nun, zumindest war
sie heute Abend passend gekleidet, befand Nuriya und hoffte, dass ihre ungute
Vorahnung sie dieses eine Mal täuschen würde.
Als sie am Türsteher vorbei in den Club schlüpften, wusste Nuriya jedoch
sofort, dass es ein Fehler gewesen war, hierher zu kommen. Der Laden roch
geradezu nach gefährlicher Magie. Ihr standen die Haare zu Berge und sie war
sehr froh, mit dieser Welt nichts zu tun zu haben. Bis jetzt!, flüsterte es in ihrem Kopf. Und sie spürte, wie sich eine undurch-
dringliche Hülle um ihre Seele und ihre Gedanken legte. Und auch Selenas
Aura unterschied sich nicht mehr von der anderer Besucher. Die beiden
Schwestern waren für die magische Welt gewissermaßen unsichtbar gewor-
den.
Danke Ninsun! Nuriya war froh, dass ihre manchmal so lästige Begleiterin auch diesmal wieder ihre schützende Hand über sie hielt, und machte sich gemeinsam mit
Selena auf die Suche nach ihrem Liebsten.
Die Schwestern gingen staunend einem langen Gang hinab, der aussah,
als wäre er aus grobem Stein gehauen. Die indirekte Beleuchtung wurde
von künstlichen Fackeln ergänzt, die dazu beitrugen, dass die Besucher sich
in eine längst vergangene Welt versetzt fühlten. Dezent waren hier und dort
große Spiegelscherben in das Mauerwerk eingelassen und Nuriya glaubte ein
paar Mal die Präsenz heimlicher Beobachter zu spüren, wagte es jedoch nicht,
ihre magischen Sinne zu entfalten.
Der Club selbst bestand aus einem riesigen Gewölbe mit verschiedenen
Bars, einem Café, in dem die Musik auf eine angenehme Lautstärke gedämpft
war, und einem weiteren Bereich für die Liebhaber spezieller Musikrichtun-
gen. Nuriya war überrascht, wie viele Gothics und andere, zumeist schwarz
gekleidete, Gäste schon um diese Uhrzeit – es war erst kurz vor Mitternacht
– auf den Galerien flanierten, tanzten oder in Gruppen vor den langen Theken
standen.
Um die Orientierung zu erleichtern, hatte man sogar Wegweiser ange-
bracht. Demnach gab es weitere Räume, in denen sich der Gast seine Zeit mit
harmlosen Spielen wie Billard oder ›Wicked Games‹ verbringen konnte. Mit
Letzterem war offenbar der S/M-Bereich gemeint, den Selena erwähnt hatte.
Außerdem entdeckte sie eine Tür, die von einem grimmig dreinschauenden
Türsteher bewacht wurde. Der Mann ließ kurz seinen prüfenden Blick über
die Schwestern gleiten und wandte sich dann desinteressiert ab. Offenbar
schienen sie ihm nicht würdig, die heiligen Hallen der VIPs zu betreten.
Mit einem schnippischen Laut drehte sich Selena auf dem Absatz um:
«Mieser Kerl! Die anderen Männer scheinen einen besseren Geschmack zu
haben!»
Und tatsächlich erregten sie durchaus einige Aufmerksamkeit. Selena sah
in ihrem bodenlangen, hochgeschlossenen Gewand und dem schweren Sil-
berschmuck wie eine verführerische Wicca-Priesterin im Audrey Hepburn
Look aus, dachte Nuriya. Aber auch sie selbst streiften hier und da wohlwol-
lende Blicke. Das Dekolleté des geliehenen Kleides war für ihren Geschmack
viel zu tief ausgeschnitten; nervös zupfte sie an dem dünnen Gazestoff, der
ihre Brüste nur unzureichend bedeckte. Dabei berührte sie das Amulett, das
die Mutter ihr kurz vor dem Tod umgelegt
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