Der Venuspakt
kein Vengador, arbeitete aber gelegentlich für den Rat. Auch
Orla hatte seine Dienste bereits in Anspruch genommen. Durch die Ausbil-
dung war er noch gefährlicher geworden als je zuvor; außerhalb ihres Clubs
würde Órla ihm niemals freiwillig den Rücken zuwenden. Der Vampir war
machtgierig und schreckte vermutlich nicht davor zurück, selbst jemanden
wie Órla anzugreifen, wenn er sich sicher sein könnte, unentdeckt davonzu-
kommen. Senthil agierte selten öffentlich, er ließ meist andere die Schmutzar-
beit erledigen. Sich an das ungeschriebene Gesetz halten zu müssen, ihr durch
einen Besuch seinen Respekt zu erweisen, während er sich in ihrem Hoheits-
gebiet aufhielt, war ihm mit Sicherheit zuwider.
Ungeachtet dieser Überlegungen lächelte sie freundlich und bot dem Gast
mit großzügiger Handbewegung eine Erfrischung an. Schweigend beobachte-
te sie, wie er sich aus der gekühlt bereitstehenden Champagnerflasche bedien-
te. Sie selbst trank nichts.
«Ich hatte das angenehme Ambiente deines Clubs schon vermisst», schmei-
chelte der Vampir mit sanfter Stimme, nahm einen Schluck und fuhr dann fort:
«Ich habe in der Stadt geschäftlich zu tun. Ich hoffe, du hast nichts dagegen?»
Das war eine rhetorische Frage und beide wussten es. «Ich verlasse mich
darauf, dass es diesmal keine Missverständnisse geben wird.»
Eine deutliche Warnung. Bei seinem letzen Besuch hatte Senthil einen ihrer
Mitarbeiter beinahe getötet und dann vorgegeben, er habe ihn mit dem Vam-
pir verwechselt, den zu stellen ihn der Rat beauftragt hatte. Órla erhob sich.
Die Audienz war beendet.
«Selbstverständlich nicht», versicherte Senthil und stand ebenfalls auf.
Die Vampirin lächelte versöhnlich. «Es ist Beltane, warum amüsierst du
dich nicht ein wenig? Ich bin sicher, die Neugestaltung unserer Katakomben
finden deine Zustimmung.»
Kaum war ihr ungebetener Gast ihrem Rat gefolgt, stand auch schon ein
herbeigerufener Mitarbeiter bereit.
«Steven! Senthil ist in der Stadt. Ich erwarte, dass deine Leute ihn keine Se-
kunde unbeobachtet lassen! Aber halt du dich von ihm fern!»
«Geht klar, Boss!»
Órla wünschte sich manchmal eine gepflegtere Ausdrucksweise von ihrem
Sicherheitschef. Aber er war noch nicht allzu lange bei ihr und erfüllte sei-
ne Aufgaben gewissenhaft und zuverlässig. Es gab jetzt Wichtigeres als Um-
gangsformen. «Er ist auf dem Weg in die Katakomben. Achte darauf, dass es
ihm an nichts fehlt! Und Steven ... sag mir sofort Bescheid, wenn es Schwierig-
keiten gibt!»
Im Gesicht des kräftig gebauten Vampirs schien ein Muskel zu zucken. Er
nickte und verschwand so lautlos, wie er gekommen war.
Senthil liebte es, den S/M-Spielchen der Sterblichen zuzuschauen. Aller-
dings hatte er noch mehr Freude daran, weiblichen Gästen aufzulauern und
von ihnen zu trinken oder sich gar eine von ihnen mit nach Hause zu neh-
men. Dies aber war, genauso wie das Praktizieren jeglicher Art von Magie, die
unliebsame Aufmerksamkeit erregen konnte, im Hellfire verboten.
Der Club bot die ideale Kulisse für Vampire, sich auf neutralem Boden zu
treffen. Zu diesem Zweck hatte Órla die VIP-Lounge eingerichtet. Kein nor-
maler Sterblicher hatte sie jemals betreten und die besonders ausgebildeten
Türsteher achteten darauf, dass dies auch so blieb. Viele Lykanthropen, beson-
ders die jüngeren, fühlten sich hier wohl und nutzten die Lounge, wenn sie
einmal Ruhe vor ihren autoritär strukturierten, Besitz ergreifenden Familien
haben wollten. Sie selbst mochte diese Kreaturen nicht besonders, dennoch
beschäftigte sie sogar einige von ihnen – und das war, soweit sie wusste, ein-
zigartig für einen Vampir-Club. Normalerweise verstanden sich die eher ein-
zelgängerischen Vampire mit den Werwesen, die meist im Rudel auftraten,
nicht besonders gut. Aber im Hellfire hielten sich alle an die Regeln und Órla
war stolz darauf, dass es nur selten Zwischenfälle gab.
Nachdem Steven gegangen war, schaute Órla noch einmal durch die Jalou-
sien hinaus in den Club. Die beiden Mädchen waren verschwunden. Besorgt
fuhr sie mit den Fingern durch ihr langes, weißblondes Haar und beschloss,
heute persönlich einen Kontrollgang durch den Club zu machen.
Inzwischen hatten die Schwestern bereits das dritte Angebot, einen Drink
spendiert zu bekommen, dankend abgelehnt und leicht genervt ihren Beob-
achtungsplatz an der Bar wieder aufgegeben. Selena wollte unbedingt noch
einen Blick in die
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