Der Venuspakt
›Katakomben‹ werfen. «Wenn ich schon einmal hier bin,
lasse ich mir das doch nicht entgehen!», bettelte sie und versprach, anschlie-
ßend mit Nuriya nach Hause zu fahren.
Neugierig schauten sie sich um. Nachdem sie eine breite, steinerne Wendel-
treppe hinabgestiegen waren, kam ihnen eine attraktive Frau entgegen und
fragte höflich: «Kann ich euch helfen?»
«Wir wollten nur mal schauen», stotterte Selena verlegen und wollte schon
wieder umkehren, da lächelte die Frau freundlich und sagte: «Ich verstehe –
hier entlang bitte!»
Sie öffnete eine Tür und führte die beiden in eine spärlich beleuchtete Bar,
in der vereinzelt bequem wirkende Sitzmöglichkeiten standen, die aber mo-
mentan verwaist zu sein schien. Verwirrt starrte Nuriya auf die großen Fens-
terscheiben, die den Blick in weitere Räume erlaubten.
«Keine Sorge, niemand kann euch von dort aus sehen – die Spiegelscheiben
sind nur in eine Richtung transparent.»
«Sie wissen nicht, dass man sie beobachten kann?», fragte Selena entsetzt.
Jetzt schmunzelte die Frau und beruhigte sie: «Natürlich wissen sie das –
deshalb kommen sie ja hierher! Wenn ihr ein wenig mehr, ähm, Intimität
wünscht, stehen euch auch Séparées zur Verfügung.»
Sie wies auf das Mädchen hinter der Bar und fügte hinzu: «Elisa wird euch
den Weg weisen, falls ihr später den Wunsch haben solltet, an den Spielen
teilzunehmen.» Dann verabschiedete sie sich: «Ich wünsche euch einen ange-
nehmen Aufenthalt!»
Verblüfft blieben die Schwestern zurück und schauten sich um. Die Fens-
ter boten Einblick in drei verschiedene Räume; zwei davon schienen leer zu
sein und waren kaum beleuchtet. Im dritten – er war eingerichtet wie ein al-
tertümliches Burgverlies – bot sich ihnen eine bizarre Szene, die direkt aus
einem Hollywood-Film hätte stammen können. Eine im Rokoko-Stil, mit
eng geschnürtem Korsett und üppigem Reifrock, gekleidete Frau wurde von
einer Art Folterknecht hereingeführt. Er fesselte ihre bloßen Arme weit aus-
gestreckt an ein Holzkreuz, das mitten im Raum stand. Der Mann trug eine
Maske und ein Ledergeschirr, das seinen plumpen, braun gebrannten Körper
grotesk einschnürte und seine offensichtliche Erregung nicht verbarg.
Nachdem er sich vom festen Sitz der Fesseln überzeugt hatte, griff der Mann
nach einer bereitliegenden Lederpeitsche und begann, die Frau mit erfahre-
nen Bewegungen sanft zu berühren. Die dünnen Bänder glitten über Arme,
Schultern und das tiefe Dekolleté der Gefesselten. Stöhnend ließ sie ihren
Kopf in den Nacken fallen. Nuriya musste sich widerwillig eingestehen, dass
sie die Vorstellung, selbst dort zu stehen, erregte. Mit Herzklopfen beobach-
tete sie, wie der Mann nach einer Weile begann, leichte Schläge mit der Peit-
sche auszuteilen, die jedoch trotz seines grimmigen Gesichtsausdrucks keine
Schmerzen zu verursachen schienen, sondern die Frau weiter entzückten.
Sie war so vertieft in die Szene, dass sie den zweiten Mann erst bemerkte, als
Selena ein Kichern entschlüpfte und sie flüsterte: «Mein Gott, der sieht aus
wie Lestat in dem Film ›Interview mit einem Vampir‹!»
Tatsächlich war der Neuankömmling im Stil des 18. Jahrhunderts gekleidet;
mit Rüschenhemd, Seidenhosen und Gehstock näherte er sich in dandyhafter
Eleganz der Szene. Die Gefesselte schien seine Gegenwart zu spüren. Sie hob
aufmerksam ihren Kopf, als lausche sie seinen nahenden Schritten.
Der Kavalier winkte den Folterknecht mit einer arroganten Geste beiseite,
umrundete die erstarrte Frau und betrachtete sie etwa so, wie man auf dem
Markt ein zum Verkauf stehendes Pferd oder einen saftigen Schinken begut-
achten würde, aber sicher keinen Menschen.
Offenbar zufrieden mit dem, was er vor sich hatte, streckte er die Hand nach
ihr aus. Sofort schmiegte sie sich hingebungsvoll an seine liebkosenden Fin-
ger auf ihrem Hals, so gut es ihr gefesselt eben möglich war. Und dann geschah
etwas, womit die Schwestern überhaupt nicht gerechnet hatten. Nachdem der
Mann ihr Korsett gelöst und die Röcke heruntergestreift hatte, sodass die Frau
nur noch mit ihren seidenen Strümpfen bekleidet war, gab er dem Knecht ein
Zeichen. Der hatte sich im Hintergrund gehalten, aber jede Bewegung seines
Herrn genau beobachtet; nun eilte er mit einem Tablett herbei, von dem der
Kavalier ein schmales, silbern glänzendes, chirurgisches Instrument nahm.
Mit diesem offenbar ungeheuer scharfen Messer
Weitere Kostenlose Bücher