Der Venuspakt
verletzte sie, die
doch so geschickt mit dem Messer gewesen war, sich immer häufiger, wenn
Kieran sich in ihrer Nähe befand.
Die Wunden wurden tiefer. Doch ihre gemeinsame Leidenschaft war an-
schließend jedes Mal überwältigender und Kieran, der sich so lange nach den
Zärtlichkeiten einer Frau gesehnt hatte, hinterfragte weder ihre Handlungen
noch die ungewöhnliche Reaktion darauf.
Wenig später war es das Sonnenlicht, das ihn mehr und mehr blendete. Und
dann schwand auch sein Appetit und eine eigenartige Unruhe trieb ihn des
Nachts immer häufiger zu den alten Steinkreisen, zu denen er sich schon als
Kind heimlich geschlichen hatte, obwohl doch jeder wusste, dass von dort
nichts Gutes kommen konnte, denn unter den Hügeln in der Nähe hausten
die Feen und Kobolde.
Als er jetzt versuchte sich Maires Gesicht vorzustellen, schaute er stattdes-
sen in die grünen Augen einer sehr diesseitigen, rothaarigen Nymphe: «Nu-
riya!», stöhnte er und floh in die Wälder, wo er das Biest in sich weckte und
endlich den weichen Waldboden unter seinen mächtigen Pranken spürte.
Die schwarze Raubkatze hetzte gnadenlos einen verstörten Hirsch bis zur
Erschöpfung und schlug dann blutgierig seine langen, tödlichen Reißzähne
in den Hals des wehrlosen Tieres.
Tierblut nährte Kieran zwar nicht annähernd so gut wie das eines Men-
schen, aber ein Vampir seines Alters brauchte längst nicht mehr täglich zu
trinken. Nicht die Lust zu morden oder zu quälen suchte er hier zu befriedi-
gen. Es war die Sehnsucht danach, im Strudel der Leidenschaft mit sich und
seinem inneren Dämon eins zu werden und einmal, einmal nur die enorme
Kontrolle und Selbstdisziplin vergessen zu dürfen, die sein gesamtes Dasein
beherrschte.
Vampire sind Jäger und das Töten ist ihre Natur, aber der Rat hatte klaren
Regeln aufgestellt, um keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf ihre Art zu
lenken.
Der Traum vom ewigen Leben beschäftigte die Menschen schon immer.
Doch diese Begeisterung – das hatte die Geschichte ihn gelehrt – konnte
schnell umschlagen und fanatische Vampirjäger auf den Plan rufen. In einer
globalisierten Welt käme dies einer Katastrophe gleich. Weniger für die ma-
gischen Wesen als vielmehr für die einfachen Sterblichen, die am meisten
leiden würden, wenn die Mächtigen dieser Welt einen Krieg um die Vorherr-
schaft führten. Aus diesem Grund war es auch so wichtig, das Gleichgewicht
der Kräfte, nicht nur innerhalb der magischen Gemeinde, um jeden Preis zu
erhalten.
Kieran war nicht irgendein Vengador, sondern einer der mächtigsten Voll-
strecker des Rates. Würde bekannt werden, dass er gegen die Regeln verstoßen
hatte, wären die Gebote des Rates nicht mehr glaubwürdig und er würde des-
sen Kritikern – und davon gab es nicht wenige – in die Hände spielen.
In den letzten Tagen hatte er das beunruhigende Gefühl, dass ihm die Kon-
trolle über seine eigenen Handlungen langsam entglitt. Wie, so fragte er sich,
sollte er diese neue Prüfung bestehen?
Nuriya – der Vampir ließ den Namen wie einen edlen Tropfen über seine
Zunge gleiten. Nuriya bedeutete ›zum Licht gehörig‹ und Feen trugen ihre Na-
men niemals zufällig. Sie war für ihn und seinesgleichen tabu. Kein Vampir
hatte das Recht, diese bezaubernde Tochter des Lichts mit den Schatten seiner
Existenz zu besudeln.
Nachdem Kieran wieder Menschengestalt angenommen hatte, kehrte er
in sein Haus zurück. Dort lag er lange regungslos am Boden seines lichtlosen
Schlafzimmers und beobachtete beinahe distanziert, wie ein nie zuvor gefühl-
ter Schmerz die wenigen verbliebenen Reste seiner Seele zu fressen schien, bis
er nichts mehr fühlte als eine große Leere. Fast war er dankbar dafür. Nun fiel
es ihm leichter zu glauben, sein nicht zu leugnendes Interesse an Nuriya wäre
nur eine vorübergehende Tollheit, unter der auch andere Vampire in Zeiten
des Venuspaktes gelegentlich zu leiden schienen.
Erschöpft schloss er seine Augen und fiel bei Sonnenaufgang in einen unru-
higen Schlaf, in dem er zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder träumte.
Nuriya war dem dunklen Ritter mehr als einmal in ihren Träumen begeg-
net. Er wirkte wie ein magisches Wesen aus einer längst vergangenen Zeit,
das sich jedes Mal aus einem Strudel von Schatten und eisigem Wind in ihrer
friedlichen Feenwelt materialisierte.
Mit prüfendem Blick musterte er dann immer den Waldrand, als wüsste er
genau, wer sich dort im Unterholz
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