Der Venuspakt
Wiese.
Kieran mochte seinen Blick nicht mehr lösen, von ihren weichen Rundun-
gen, den langen, schlanken Beinen und ihren leuchtend roten Locken, die sich
aus dem Knoten befreit hatten und wie ein Heiligenschein aus Feuer ihren
Kopf umzüngelten.
Schließlich blieb Nuriya atemlos stehen, ihre Augen blitzten vor Freude.
«Das ist das Schönste, was ich je erlebt habe! Wer auch immer du in Wirklich-
keit sein magst, heute bist du mein guter Geist und ich danke Dir!»
Vielleicht geschah es in diesem Augenblick, dass der Vampir für immer sein
Herz verlor.
«Meine Heimat.» Kierans Stimme klang ein wenig belegt und er räusperte
sich. «Schön, dass sie dir gefällt!» Er bedauerte, keinen Grund zu haben, sie
erneut in seine Arme zu ziehen. «Komm setz dich!»
Sein eigentümlicher Stimmungsumschwung verwirrte Nuriya, doch sie
folgte der Aufforderung und kletterte neben ihn auf einen glatten Stein, der
noch die Wärme des Tages hielt.
Und dann erzählte Kieran ihr von der Welt der Vampire, ihren ganz eigenen
Regeln und ihren Gefahren. Er sprach auch von dem sensiblen Frieden zwi-
schen den Feen und seinem Volk. Den Venuspakt und ihre Rolle dabei ließ er
jedoch, genauso wie Angelina vor ihm, unerwähnt.
«Möglicherweise hat dein Amulett die Aufmerksamkeit einiger Feengegner
erregt.» Kieran wagte nicht, den Anhänger zu berühren, aus Furcht, er würde
ihn als Feind betrachten und leuchten.
Nuriya tastete nach dem kühlen Metall auf ihrer Haut. «Meine Mutter hat
es mir gegeben, bevor sie ...», ihre Finger verkrampften sich, als sie fortfuhr,
«wieder einmal zu einer Reise aufbrach! Sie wollte mir die Bedeutung nach
ihrer Rückkehr erklären. Aber dazu kam es nicht mehr.»
Kieran konnte in ihren Gedanken deutlich den großen Schmerz des kleinen
Mädchens sehen, als es seine Eltern verloren hatte. Sanft fasste er ihre Hände
und sagte: «Versprich mir, dass du es nie wieder ablegst!»
«Aber es wird manchmal ganz warm und glüht sogar im Dunkeln!»
Kieran wiederholte Angelinas Vermutung: «Und deshalb hast du es im Club
abgenommen?»
«Was sollte ich denn machen? Die Leute wurden schon aufmerksam.»
«Wenn jemand das beobachtet hat, kann dies sehr gut der Grund für den
Überfall gewesen sein! Der Club gehört Órla, der hiesigen Vertreterin des Rats,
und dient Vampiren und Werwesen als Treffpunkt.»
Jetzt wurde Nuriya klar, warum sie sich dort so merkwürdig gefühlt hatte.
Die Anwesenheit magischer Kreaturen hatte sie schon immer verunsichert.
Sie fragte sich, warum Ninsun sie nicht gewarnt hatte, doch dann fiel ihr ein,
dass ihr Schutzgeist ja ganz entschieden gegen den Besuch des Clubs gewesen
war. «Arbeitet Erik deshalb dort?»
«Wahrscheinlich! Es ist ungewöhnlich, dass er so weit entfernt von seiner
Familie lebt. Lykanthropen brauchen eigentlich ständigen Kontakt zu ihres-
gleichen.» Kieran nahm sich vor, den Werwolf noch einmal genau unter die
Lupe zu nehmen. Auch wenn er nicht glaubte, dass Erik etwas mit dem Atten-
tat zu tun hatte, konnte er doch sehr wohl etwas Wichtiges beobachtet haben.
Er beschloss, dem Club bald einen Besuch abzustatten, um mehr herauszu-
finden. Der Gedanke, Nuriya dabei als Köder missbrauchen zu müssen, gefiel
ihm nicht. Dennoch sagte er: «Die Regeln fordern, dass sich jeder Vampir-
Neuling dem örtlichen Vertreter des Rates vorstellt. Es wäre ein Fehler, Órla
zu verärgern!»
«Ist das nicht riskant?» Nuriya fand Kieran sowieso sehr sexy, aber als jetzt
zum ersten Mal ein warmes Lächeln seine Augen zum Strahlen brachte, ver-
schlug es ihr fast den Atem.
«Nicht, wenn ich dich begleite!»
Okay, auch Sexgötter waren anscheinend nicht perfekt; dieser hier war un-
erträglich arrogant, schoss es ihr durch den Kopf.
Er lachte nun ganz offen, als hätte er ihre Gedanken gelesen, stand auf und
sagte: «Ich will dir noch etwas zeigen!»
Die Zeit um sie herum stand auf einmal still. Selbst die Vögel schienen ge-
spannt ihren Atem anzuhalten. Fasziniert beobachtete sie, wie sich die Atmo-
sphäre um Kieran veränderte und sein Körper sich in Abermilliarden wirbeln-
der Teilchen auflöste, um gleich darauf die Gestalt einer großen Raubkatze
anzunehmen. Furchtsam starrte Nuriya auf die riesigen Reißzähne des Tiers,
bis es plötzlich mit seiner roten Zunge zärtlich über ihr Gesicht leckte. «Das
kitzelt!», wollte sie sich lachend beschweren, aber heraus kam nur ein drolli-
ges Schnurren.
Komm! , lockte Kieran und
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