Der Venuspakt
könnte; das Haus sollte sie jedoch nicht ver-
lassen.
«Ich sehe dich morgen Abend!»
Mit diesen Worten war er verschwunden.
Ninsun!
Ja, Herrin! , erklang es knapp.
Entschuldige! Ich wollte dich nicht beleidigen. Nuriya wusste, wie sehr Ninsun
es verabscheute, Befehle zu erhalten. und jetzt brauchte sie diese Verbündete
ganz besonders.
Schon gut, ich verstehe, dass du wütend bist. Ninsun klang versöhnlich.
Ist der Kerl verrückt geworden? Erst küsst er mich, als gäbe es nichts Wichtigeres
auf der Welt für ihn zu tun, und dann plötzlich diese Feindseligkeit. Was bildet er sich
ein, mich hier gefangen zu halten?
Verstehe einer die Männer! Ninsun lachte leise. In deiner momentanen Situation
hast du gegen andere Vampire keine Chance und niemand weiß, warum ihr überfal-
len wurdet. Immerhin war auch ein Vampir in die Sache verwickelt.
Ein Vampir? Davon weiß ich nichts! Tränen machten plötzlich das Sehen
schwierig und Nuriya ließ sich aufs Bett fallen. Ninsun, warum haben sie mir das bloß angetan? Ich will kein Vampir sein! , schluchzte sie. Dieser Mann – es war
schrecklich!
Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass es dir Spaß gemacht hat, den Kerl zu be-
strafen!
Das ist ja das Schlimme – es h a t mir Spaß gemacht! Beim Gedanken an das
köstliche, warme Blut in ihrem Mund musste sie würgen. Ich bin zu einem Monster geworden!
Monster weinen nicht!
Nuriya setzte sich auf und putzte lautstark ihre Nase. Die unsichtbare Freun-
din verstand es immer, sie zu beruhigen. Er ist sehr mächtig, habe ich Recht? Was soll ich nur von Kieran halten? Mal verhält er sich wie ein guter Freund und Lehrer,
dann wieder kalt wie ein Eisblock ... und nun dieser Kuss!
Diese gut aussehenden Vampire sind alle undurchsichtige Gestalten! Und Kieran ist
eines der leckersten Exemplare, die ich in den letzten Jahrhunderten gesehen habe.
Du findest also auch, dass er attraktiv ist? , schniefte Nuriya . Was will er dann
von mir?
Vertraue deinem Gefühl! Dann wird alles gut werden.
Danke. Diesen Rat bekomme ich andauernd! Aber was ist, wenn ich gar nicht weiß,
was ich fühlen soll? Mutlos ließ sie sich zurück in die Kissen fallen und starrte
an die Decke.
Als du um Hilfe gerufen hast, ist er gekommen, oder? Ninsun perlendes Lachen
begleitete Nuriya in ihren tiefen Tagesschlaf.
Kieran stand regungslos in der Tür und beobachtete die Schlafende. Gleich-
mäßig zitterte eine Strähne ihrer üppigen roten Mähne im Luftstrom ihres
Atems und tanzte über dem zarten Gesicht. Manchmal schien ein einzelnes
Haar zu stören. Dabei zog sie die Nase kraus, als wollte sie gleich niesen. Wie
jung und verletzbar Nuriya aussah – ganz und gar nicht wie ein Geschöpf aus
seiner Welt. Was hatte er ihr nur angetan?
Der Vampir gestattete sich trotz der trübsinnigen Stimmung, in der er sich
befand, ein Lächeln bei dem Gedanken an ihre blitzenden Augen während des
gestrigen Streits. Sie war eine Kämpferin.
Und dann verdunkelten sich seine Züge erneut. Nie würde er vergessen, wie
sie auf der Straße gelegen hatte – sterbend.
Er musste herausfinden, wer hinter dem Überfall steckte!
Kieran gönnte sich einen letzten Blick, dann durchschritt er die Grenze zur
Zwischenwelt.
Erst am frühen Abend kehrte der Vengador nach Hause zurück. Die vampiri-
sche Welt war nervös. Fieberhaft suchte man nach der Auserwählten und viele
der jüngeren, männlichen Vampire behaupteten, sie bereits spüren zu können.
Zweifellos wurden sie angezogen von dem Versprechen großer Macht, die mit
einer Verbindung mit dieser besonderen Feentochter einhergehen würde.
Kieran nahm die Bedrohung sehr ernst, obwohl er wusste, dass jeder Vam-
pir mit auch nur einer Spur von Selbsterhaltungstrieb sich hüten würde, ein
Feenkind gegen dessen Willen zu transformieren.
Stattdessen hofften die meisten sehnsüchtig, das Schicksal werde die Aus-
erwählte zu ihrer Seelengefährtin bestimmen. Niemand hatte Lust, die Rache
ihrer Familie zu spüren oder von Kieran für den Frevel verfolgt zu werden.
Ungeachtet der Risiken schienen seine vampirischen Geschlechtsgenossen
jedoch jedes Mal pünktlich zum Venustransit den Verstand zu verlieren.
Welch eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet er der Vengador war,
der Vergehen dieser Art seit Jahrhunderten im Auftrag des Rates ahndete! Wen
würden sie wohl aussenden, um ihn zu richten? Eines stand fest: Die Feen
würden seinen Kopf fordern – für Nuriyas gewaltsame
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