Der Venuspakt
verschwand mit wenigen Sätzen im Wald.
Sie hatte keine Ahnung, wie dieser Zauber funktionierte, aber als Nuriya
leichtfüßig hinter ihm herlief, war ihr das auch völlig gleichgültig. Ihre kräfti-
gen Pfoten fanden Halt im weichen Boden, als sie den schmalen Pfad entlang-
jagte. Endlich hatte sie ihn fast eingeholt.
Dort oben stand das prächtige Tier und wartete am Rande einer Lichtung
auf seine geschmeidige Gefährtin.
Wie schön sie war. Ihr Fell in der Farbe geschmolzenen Goldes – zart gemus-
tert und seidig glatt umspannte es den perfekten Körper der lebenshungrigen
Wildkatze. So schien Nuriya endlich eins mit sich selbst zu werden. Ein gan-
zes Jahrtausend hatte er auf dieses herrliche Geschöpf gewartet. Der Panther
stupste sie mit seiner Schnauze an und rannte weiter. Sie hielt sich immer an
seiner Seite, bis sie einen Fluss erreichten, gierig das frische Wasser tranken
und weiter die Hügel hinauf bis zu den alten Steinen liefen.
Atemlos fand sich Nuriya schließlich in menschlicher Gestalt an einen
riesigen Baum gelehnt wieder. Kieran stand so nahe vor ihr, dass sie die Hit-
ze seines Körpers deutlich spürte. Tief in seinen Augen erkannte Nuriya die
gefährliche Raubkatze, die unter der Oberfläche lauerte, und hielt gespannt
ihren Atem an.
Langsam beugte er sich zu ihr herab, ohne nur für eine Sekunde den Blick-
kontakt abzubrechen. Mit einem Stöhnen, das wenig Menschliches an sich
hatte, gab er schließlich der Versuchung nach.
Sein Kuss erschien Nuriya wie eine Erlösung. Besitzergreifend legte sie ihre
Hände in Kierans Nacken und zog ihn noch dichter an sich heran. Allmählich
wurden die Küsse zärtlicher, doch sein Körper ließ keinen Zweifel daran, wie
sehr er sich nach ihr sehnte.
«Bitte!», flüsterte sie rau und legte ihre Kopf zur Seite. Es bedurfte keiner
weiteren Einladung. Ihr ganz eigener Duft betörte ihn und nichts mehr konnte
den Vampir davon abhalten, seine liebliche ›Götterspeise‹ zu kosten. Kierans
gefährliche Reißzähne senkten sich in ihren Nacken und Nuriya schlang ihre
Beine um seine Taille, um ihm noch näher zu sein. Der Baum, an den sie lehn-
te, schien ihre Gefühle zu reflektieren. Ein prickelnder Strom heiterer Energie
durchflutete sie, bis kleine Sternchen in ihren Augenwinkeln tanzten – so gab
sie an Kieran weiter, was die Natur ihr schenkte. Ein göttlicher Kreislauf sinn-
lichen Erlebens.
Als er viel zu schnell von ihr abließ, entschlüpfte Nuriya ein Laut der Ent-
täuschung, der so sehr an das Maunzen einer empörten Katze erinnerte, dass
Kieran lachen musste.
Fauchend beugte sie sich nun selbst über seinen ungeschützten Hals und
ihre Zähne fanden schnell, wonach es sie so heftig gelüstete. Als sein warmes
Blut ihre Kehle hinabrann, fühlte Nuriya keinen Widerwillen mehr gegen
diese Essenz des Lebens, und genussvoll, fast bedächtig, kostete sie jenen Mo-
ment aus, in dem der Furcht erregende Vampir in ihren Händen zu einem wil-
lenlosen Opfer seiner Lust wurde.
Entzückt ließ sie sich ein zweites Mal von den Spiralen der Blutlust davon-
tragen und fand sich schließlich, heftig atmend und völlig ermattet auf Kieran
liegend, im hohen Gras wieder. Der strich zärtlich über ihr feuchtes Haar und
flüsterte kaum hörbar: «Das zweite Siegel! Kätzchen, was habe ich nur getan!»
Die restliche Nacht verbrachte sie einsam in Kierans riesigem Haus. Er hatte
sie heimgebracht und sich bald darauf eilig verabschiedet, als bedeutete ihm
das Geschehene gar nichts. War er überhaupt zu Gefühlen fähig?
Ein paar Wochen zuvor hätte sie nicht geglaubt, dass es möglich war, sich
noch einsamer zu fühlen. Und doch war genau das nach ihrer Transformation
der Fall. Könnte sie doch wenigstens Angelina um Rat fragen! War sie nicht
selbst ein Feenkind? Sicher wäre sie in der Lage, Nuriya wertvolle Ratschlä-
ge zu geben, um sich mit diesem verwirrenden, neuen Dasein zu arrangieren.
Aber die Heilerin hatte sie ebenfalls verlassen.
Selena. Nuriya schaute auf die Uhr: weit nach Mitternacht. Ihre Schwester
schlummerte längst sicher in Eriks Armen. Doch dann fiel ihr Blick auf den
Vollmond, der hoch am Himmel stand. Nein, mit Erik war heute gewiss nicht
zu rechnen! Schon streckte sie die Hand nach dem Telefon aus, da erinnerte
sie sich an Angelinas Worte: «Deine Schwester hat ihr eigenes Schicksal zu
meistern. Vertraue deinen Gefühlen!»
Sie würde also auch dieses Mal alleine mit ihren Problemen fertig
Weitere Kostenlose Bücher