Der Venuspakt
Kieran hielt sie am Arm
zurück. «Was hast du mit ihnen vor?» Er zeigte auf die am Boden liegenden
Vampire.
Tesfaya schaute ihn fragend an.
Kieran zuckte mit den Schultern und setzte einen harmlosen Blick auf.
«Sie wollten mich töten, oder?»
«Diesen Eindruck konnte man gewinnen.»
«Dann habe ich also das Recht, Gleiches mit Gleichem zu vergelten ...?», frag-
te sie vorsichtig und streckte die Hand nach ihrem Dolch aus. Zweifellos hatte
sie die Absicht, die Herzen der leblosen Gegner herauszuschneiden, bevor sie
sich erholen und fliehen konnten. Eine in Vampirkreisen weit verbreitete Me-
thode, sich unliebsamer Artgenossen zu entledigen. Niemand war tatsächlich
unsterblich und einmal des Herzens beraubt, konnte auch ein vampirischer
Körper sich nicht mehr rasch genug regenerieren, um sich rechtzeitig vor der
tödlichen Macht des kommenden Tages zu schützen.
Kieran verbeugte sich galant. «Auge um Auge ...! Es ist mir ein Vergnügen!»
Er schnippte mit dem Finger und die leblosen Gestalten zu seinen Füßen
gingen in Flammen auf, bis der Wind, den Kieran rief, die letzten Aschereste
mit sich fortnahm.
Anschließend reichte er ihr das Wurfmesser, an dem noch ein wenig Blut
klebte, zurück.
«Wie hast du das gemacht?», fragte Tesfaya mit großen Augen und wischte
die Waffe an ihrem Ärmel ab, bevor sie das Messer darin verschwinden ließ.
«Ein Deal. Du bewahrst meine Geheimnisse und ich verrate auch deine
nicht!» Er legte seine Hand auf ihre Schulter und bevor sie antworten konnte,
fand sich die Amazone in seinem Haus wieder.
Die beiden Vampire schwiegen, während Kieran eine Blutkonserve aus dem
Kühlschrank nahm und auf das Mikrowellengerät deutete.
«Danke. Ich nehme es gleich so.»
Tesfaya fing den Beutel geschickt, riss ihn auf und nahm einen Schluck. Ihre
Stimme klang nicht ganz fest, als sie sagte: «Ich will nichts über dich wissen.
Was ich gesehen habe, reicht erst einmal, Vengador!»
Eine Magie wie die seine hatte sie noch nie zuvor so beiläufig angewandt
erlebt und als sie Kieran dort scheinbar entspannt in den Kissen liegen sah,
fürchtete sie sich mehr denn je vor ihm.
Sie fröstelte bei der Erinnerung an ihr Messer. Es war einfach aus dem Kör-
per ihres Opfers verschwunden und in Kierans Hand erschienen! Würde er
eine Zeugin seiner Macht unschädlich machen? Die Vampirin wollte nichts
lieber als sofort zu verschwinden.
Vergiss es!
Kieran klang amüsiert und Tesfaya musste entsetzt feststellen, dass sie sich
weder bewegen noch in die Zwischenwelt verschwinden konnte.
«Setz dich und erzähle mir, was dich bedrückt!»
«Nichts!» Sie hätte sich ja gerne gesetzt, doch es schien, als klebte sie an dem
Boden unter ihren Sohlen. Dann kam ein unangenehmes Kribbeln hinzu und
sie wagte nicht, nach unten zu schauen, um herauszufinden, welche Unge-
heuer an ihren Beinen hinaufkletterten.
Kieran hob fragend eine Augenbraue und streifte nur ganz leicht ihre Ge-
danken, doch die Berührung brannte wie Feuer und trieb ihr die Tränen in die
Augen. Tesfaya war klar, dass sie hier nicht gewinnen konnte.
«Nun?»
«Okay, ich erzähl es dir», sagte sie schließlich zähneknirschend. Sofort ließ
der Schmerz nach. Doch deutlich fühlte sie die Bedrohung weiterhin über
sich schweben.
«Die Sicarier wollen den Venus-Pakt verhindern und einen Krieg zwischen
uns und den Feen auslösen.»
«Das ist nicht neu!», sagte Kieran scharf. «Wer steht hinter diesen Angrif-
fen?»
«Ich habe keine Ahnung. Sie trauen mir nicht mehr, weil ich ihre Methoden
nicht gutheiße. Außerdem bin ich inzwischen zu der Überzeugung gekom-
men, dass eine Balance zwischen Licht und Dunkelheit notwendig ist, um die
Welt im Gleichgewicht zu halten. Die Sterblichen sind destruktiv genug, um
uns alle in die Hölle zu befördern, wenn wir nicht aufpassen.»
Der Vengador schaute skeptisch – doch er schwieg.
«Mon dieu, Kieran! Ich mag kein Dunkelelf mit einer jahrtausendalten Tra-
dition sein – ich wurde geschaffen und nicht geboren –, aber denken kann ich
auch, und glaube mir, ich habe in den letzten Jahrhunderten viel Zeit damit
verbracht!»
Beim Wort ›Dunkelelf‹ zuckte Kieran innerlich zusammen. Wie alle gebo-
renen Vampire hörte auch er es nicht gerne, wenn jemand auf seine Verwandt-
schaft mit den Lichtelfen oder Feen anspielte. Zu tief war das Misstrauen, das
seit Jahrtausenden zwischen den beiden Völkern herrschte.
«Du kannst nur gewinnen, wenn du mir die
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