Der verbannte Highlander
ein sicherer Ort angefühlt hatte, kam ihr nun wie ein Sarg vor, der darauf wartete, in die Erde hinabgesenkt zu werden. Es war das Risiko wert. Sie wandte sich zu Alys um. »Wir müssen fort von hier.«
»Aber wohin?«
»Wir verstecken uns im Wald, bis es vorbei ist.«
Alys nickte, zu verängstigt, um ihr zu widersprechen. Beiden war klar, dass sogar unabhängig von ihrem Unterschied im Rang Lizzie die Führung übernommen hatte.
»Bist du bereit?«
Die ältere Frau nickte wie betäubt.
Lizzie erkannte deutlich, dass Alys’ Beherrschung nur noch an einem hauchdünnen Faden hing – jeden Augenblick konnte sie in Panik ausbrechen. »Folge mir und bleib dicht bei mir.« Sie machte eine kleine Pause. »Und was immer du auch tust, schau nicht hin.« Tränen des Verstehens schwammen in Alys’ Augen. »Versprich es mir«, forderte Lizzie noch eindringlicher, wobei sie sie an den Schultern packte und heftig schüttelte.
»Ich verspreche es.«
»Gut.« Tief holte sie Luft, dann drückte sie die Türklinke nach unten und schob die Tür auf. Als sie sie weit genug geöffnet hatte, um den Kopf hinauszustrecken, sah sie sich um. Das Erste, was sie wahrnahm, war der beißende Gestank – nach Schießpulver und dem unverwechselbaren, metallischen Geruch von Blut. Er stieg ihr in die Nase und brannte in ihrer Kehle. Hustend hielt sie sich die Hand vor Nase und Mund und kämpfte den Würgereiz nieder.
Obwohl sie ihren eigenen Rat an Alys selbst befolgen wollte, musste sie einfach hinsehen.
Sie wappnete sich dagegen, aber auf den Schock darüber,
was sie sah, konnte sie sich nicht vorbereiten. Leichen übersäten den Waldboden, ausgestreckt in seltsamen Verrenkungen. Aufgeschlitzte Bäuche. Löcher in der Brust. Blinde Augen. Blut. So viel Blut.
Das Entsetzen hätte sie gelähmt, wenn sie zugelassen hätte, sich ihre Gesichter anzusehen, denn einige der Männer kannte sie. Stattdessen zwang sie sich, den Blick von den Toten auf die Lebenden zu richten. Zu den Männern, die noch kämpften.
Es war, wie sie befürchtet hatte. Die Campbells waren zahlenmäßig unterlegen. Durch den Überraschungsangriff hatten die MacGregors die Anzahl ihrer Wachmänner sofort stark dezimiert und sich einen Vorteil verschafft. Sie zählte nur noch eine Handvoll Campbells und beinahe doppelt so viele MacGregors, die leicht an ihrer Highlandtracht und dem barbarischen Aussehen zu erkennen waren. Anders als die Männer ihres Cousins, die mit ledernen Wämsern und Breeches bekleidet waren, trugen die MacGregors leines und hatten schmutzige, zerlumpte Plaids um die Hüften gegürtet. Ihre Haare und Bärte waren lang und verfilzt. Nur ein paar von ihnen hatten cotuns , wattierte Waffenröcke aus Leder, als zusätzlichen Schutz, und keiner von ihnen trug eine Rüstung. Bewaffnet waren sie mit Lanzen, Schwertern und Bögen, und sogar eine alte Axt konnte Lizzie entdecken, aber sie trugen keine Schusswaffen. Nicht, dass das den Männern ihres Cousins irgendetwas genutzt hätte. Diese waren zwar gut bewaffnet, aber im Kampf Mann gegen Mann waren ihre Pistolen gegen das mächtige Highland-Breitschwert praktisch nutzlos.
Das Klirren von Stahl auf Stahl klang ihr in den Ohren. Sie wollte sich schon abwenden, doch dann erstarrte sie, als sie Alys’ Donnan erblickte. Er hielt sich einen besonders großen MacGregor vom Leib, doch es war offensichtlich, dass er seinem Gegner nicht gewachsen war. Der Krieger der MacGregors ließ nicht locker und schlug unablässig auf ihn ein, wobei
er sein Schwert zwar nicht mit Geschick, jedoch mit grausam brutaler Kraft schwang.
Sie wusste, was geschehen würde, und dennoch konnte sie den Blick nicht abwenden. Als das claidheamhmór des MacGregor schließlich auf Fleisch traf und Donnan den Bauch aufschlitzte, unterdrückte sie ein ersticktes Schluchzen.
Obwohl sie wusste, dass es unmöglich war, schien es ihr, als habe der MacGregor sie gehört. Sein Blick heftete sich auf sie und alles in ihr gefror, als sie in tiefe Schwärze blickte. In die Augen eines Mannes ohne Seele.
Er verzog den Mund zu einem bedrohlichen Grinsen und kam entschlossen auf die Kutsche zu.
Erst als einer der Wachmänner ihres Cousins ihm in den Weg trat, wagte sie wieder zu atmen.
»Was ist los?«, fragte Alys hinter ihr.
»Nichts«, erwiderte Lizzie und versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten, obwohl sie innerlich mit jeder Faser ihres Körpers zitterte. »Wir müssen fort von hier. Sofort!«
Lizzie packte Alys an der Hand und stieg
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