Der verbannte Highlander
schon gesehen, dass es geholfen hat, Mylady«, warf Robbie ein.
Lizzie schluckte und wappnete sich innerlich. »Dann tu es.«
Patricks Augen flogen auf, als ein kehliger Schrei tief aus seinen Lungen drang. Der Laut ging ihr durch und durch. Seine Wachmänner drückten ihn nieder, aber es war schrecklich mitanzusehen, wie sein Körper sich zuckend vor Schmerz
wand. Schließlich, nach einer scheinbaren Ewigkeit, wurde er ruhig.
Die Heilerin holte eine Nadel und feinen Seidenfaden hervor. »Das wird eine Weile dauern. Ihr müsst die Wundränder zusammenhalten, während ich sie zunähe.« Sie sah die Wachmänner an. »Ihr müsst ihn sehr ruhig halten. Das Gewebe um die Wunde ist sehr empfindlich und wird ihm große Schmerzen bereiten.«
Lizzie kam es so vor, als hielte sie stundenlang den Atem an, sie spannte jeden Zoll ihres Körpers an, während die Heilerin sich systematisch den Schnitt hinunterarbeitete. Es war ein langer, mühevoller Prozess, der all ihre Kraft beanspruchte. Als die Heilerin fertig war, strichen sie Salbe auf die Wunde und verbanden sie mit einer frischen Leinenbandage.
»Ich verstehe nicht, wie er wochenlang mit so einer Wunde herumlaufen konnte. Es muss ihm höllische Schmerzen bereitet haben«, meinte die Heilerin kopfschüttelnd.
»Der Captain fühlt Schmerz nicht wie die meisten Männer«, sagte Robbie voller Bewunderung. »Er hat schon viel Schlimmeres ausgehalten.«
»Aye «, pflichtete einer der älteren Krieger ihm bei. »Seht Ihr das da?« Er deutete auf eine runde Narbe an Patricks Schulter. »Hat einen Schuss aus einer Hakenbüchse in den Schwertarm bekommen und danach noch stundenlang weitergekämpft.«
Lizzie presste die Lippen fest zusammen. »Jeder Mensch fühlt Schmerz«, entgegnete sie. »Manche sind nur zu verdammt stur, es zuzugeben.« Jetzt starrten die Männer sie an, als hätte sie Gott gelästert. »Und ganz genau das werde ich eurem Captain auch sagen, wenn er wieder aufwacht.«
Sie betrachtete das gutaussehende, doch unglaublich blasse Gesicht des Mannes, der vor ihr auf dem Bett lag und betete, dass sie noch die Gelegenheit haben würde, ihm ihre Meinung zu sagen.
Er wollte sich nicht erinnern.
Patrick kämpfte gegen die Bilder an, gegen den Schlaf, doch der Traum kam dennoch. Immer schneller. Er rollte auf ihn zu mit der Gewalt einer Lawine. Es gab nichts, wohin er sich flüchten konnte. Nichts, um sich zu verstecken. Er konnte den Erinnerungen nicht entkommen …
An einen tiefen Schlummer und den süßen Klang der Stimme seiner Mutter, die in seine Träume drang.
Nur, dass es kein Traum gewesen war.
»Wach auf, Patty! Zieh dich an. Beeil dich, mein Liebling.«
Die Stimme seiner Mutter, erkannte er, nur dass sie gar nicht nach ihr klang. Seine Mutter war Fröhlichkeit und Licht, nicht Angst und Entsetzen. Er öffnete die Augen. Ihr von einer einzelnen Kerze erleuchtetes Gesicht wirkte wie eine Erscheinung, die in einem Meer aus Schwärze trieb.
Ihr Gesichtsausdruck sagte ihm, dass etwas nicht in Ordnung war. Ganz und gar nicht in Ordnung.
Von draußen zerriss ein Schrei die Nacht: »Sie kommen!«
Campbells. Die Campbells kamen, um sie zu holen.
Er erinnerte sich an den bitteren Geschmack von Angst. Und an die Scham. Er war zehn Jahre alt. Beinahe ein Mann. Er sollte keine Angst haben. Er war ein Krieger wie sein Vater. Und wie sein Vater würde er eines Tages Chieftain seines Cousins Alasdair Roy sein.
Er konnte immer noch die Hand seiner Mutter spüren, die sich ihm zärtlich an die Wange schmiegte. Konnte sehen, wie die grünen Augen, die das Spiegelbild seiner eigenen waren, ihn so liebevoll ansahen. »Du musst jetzt tapfer sein, mein Liebling.« Sie hatte es gewusst – sie wusste immer, wie er sich fühlte. »Nimm deine Brüder und lauft tief in den Wald. Versteckt euch dort, bis euch jemand holen kommt, sobald es sicher ist.«
Er wollte nicht gehen. Der Wald war verwünscht und voller Feenvolk.
Aber er verbarg seine Angst und nickte. »Aber was ist mit dir?«
»Ich werde deinen Vater nicht verlassen. Mach dir keine Sorgen.« Sie legte ihm die Hand an die Wange. »Annie und mir wird nichts geschehen.«
Seine Mutter war eine geborene Campbell. Die Schwester des Laird of Glenorchy, des Mannes, der geschworen hatte, die MacGregors von ihrem Land zu vertreiben.
Störrisch schüttelte er den Kopf. »Ich verlasse dich nicht.«
»Du musst«, entgegnete sie streng, strenger als sie je zuvor mit ihm gesprochen hatte. »Du musst dich um deine
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