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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
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über ihn hereingebrochen. Sobald sein Friseur gehört hatte, dass er eine Frau zum Essen ausführe, hatte der Mann darauf bestanden, dass etwas Ungewöhnliches hermüsse. Als er aber endlich die Schere niedergelegt und Arthur Catnip in der Hoffnung auf eine Verwandlung einen Blick in den Spiegel geworfen hatte, war ihm sofort klar gewesen, dass es stattdessen zu einem Massaker gekommen war. Nicht einmal das Friedensangebot eines Honorarverzichts konnte ihn beruhigen, und als er ins Dienstzimmer zurückkehrte, hoffte er inständig, Valerie Jennings würde höflich über das Desaster hinwegsehen.
    Gemeinsam traten sie in die Kälte hinaus und sprachen über den Schnee am Morgen, der nicht liegen geblieben war. Als sie am Hotel Splendid vorbeikamen, schaute Valerie Jennings bedauernd auf die prachtvollen Säulen und den uniformierten Bediensteten oben auf der Treppe und fragte sich, wo der Fahrkartenkontrolleur sie wohl hinführen würde.
    Irgendwann erreichte das Paar den Eingang zum Regent’s Park, und Valerie Jennings sehnte sich bereits in ihr warmes, vertrautes Büro zurück. Als sie am Springbrunnen vorbeigingen, deutete Arthur Catnip auf etwas in der Ferne und verkündete, dass sie bald da seien. Valerie Jennings starrte durch ihre verschmierte Brille und sah etwas, das zweifellos ein Teepavillon war. »Ich glaube, es wird gleich regnen«, sagte sie.
    Nun kamen sie an ein paar Männern vorbei, die mit Stöcken im Unterholz herumstocherten, und Arthur Catnip fragte sich, was sie wohl suchten. Valerie Jennings aber schaute nicht einmal hin, weil sie darüber nachdachte, welchen Trost ihr abends, wenn sie in ihrem geliebten Lehnstuhl mit der ausklappbaren Fußstütze ruhen würde, die Lektüre der unerhörten Mrs. Clutterbuck bieten würde.
    Als sie den Teepavillon erreicht hatten, deutete sie erleichtert auf das Schild an der Tür: ›Geschlossen‹. Arthur Catnip öffnete die Tür trotzdem und bat sie einzutreten. Statt Massen an ramponierten Tischen, an denen sich Hundebesitzer und Hobby-Ornithologen drängten, sah sie mitten im Raum eine einzige, für zwei Personen gedeckte Tafel mit einer weißen Leinendecke darauf. In der Mitte stand in einer Silbervase eine einzelne gelbe Rose. Hinter der Theke warteten ein Mann mit einer weißen Kochmütze und eine junge Kellnerin, die in Schwarz gekleidet war. »Keine Sorge, ich habe um einen französischen Koch gebeten«, sagte Arthur Catnip, als die Kellnerin kam, um ihnen den Mantel abzunehmen.
    Nachdem die Zwiebelsuppe serviert worden war, erzählte Valerie Jennings von dem französischen Zwiebelverkäufer, der in ihrer Kindheit mit seinem vollgepackten Fahrrad an der Ecke gestanden habe. Arthur Catnip senkte die Stimme und verriet, dass sein Onkel mit einer Französin davongelaufen sei, worauf man das Gemüse aus dem Haushalt verbannt habe.
    Als das poulet à la moutarde serviert wurde, füllte der Fahrkartenkontrolleur die Gläser nach und berichtete von den geheimnisvollen Voodoo-Hühnern, die er in seiner Zeit bei der Marine auf Haiti gesehen habe. Valerie Jennings nahm einen Schluck, und ehe sie sich’s versah, hatte sie schon erzählt, dass sich der Hahn ihrer Patentante in einen Wischmopp verliebt und ihn jedes Mal zu besteigen versucht habe, wenn ihre Tante die Küche putzen wollte.
    Bei der tarte tatin erzählte Valerie Jennings, dass sie darüber nachdenke, im Sommer aus den Äpfeln aus ihrem Garten Cidre herzustellen, da sie zum Backen nicht gut genug seien. Der tätowierte Fahrkartenkontrolleur hielt das für eine gute Idee und bekannte, dass er einmal so viel von dem Zeug getrunken habe, dass er über Bord gegangen sei und über eine Woche auf einer einsamen Insel habe verbringen müssen, bevor er von einem Schiff entdeckt und gerettet wurde.
    Während sie ihren Kaffee tranken, steckte einer der Männer, die sie zuvor beim Herumstochern in den Büschen gesehen hatten, seinen Kopf zur Tür herein und fragte: »Sie haben nicht zufällig ein Bartschwein gesehen?«
    Sie verneinten, versprachen aber, auf dem Rückweg die Augen aufzuhalten, begeistert von der Vorstellung, ein Schwein mit Bart zu sehen. Als sie dann aber zum Fundbüro der Londoner Untergrundbahn zurückkehrten, hatte Valerie Jennings ihr Versprechen bereits vergessen, weil sie nur noch Augen für Arthur Catnip hatte.
    In dieser Nacht tickte der Wecker auf dem Nachttisch noch lauter als sonst. Als Hebe Jones auf die Uhr schaute, fragte sie sich, ob sie je würde einschlafen können. Sie drehte

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