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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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gekommen, das keine Spur der seltsamen Gabe ihrer Mutter besaß, anderen mühelos ihren Willen aufzuzwingen.
    Die Tür ging auf, und ein Luftzug ließ das Feuer knistern.
    »Das Abendessen ist serviert, Ma’am.«
    Wie Adeline Thomas verachtete, wie sie sie alle verachtete. Sie konnten noch so oft »Ja, Ma’am« und »Nein, Ma’am« und »Das Abendessen ist serviert, Ma’am« sagen, sie wusste genau, was sie in Wirklichkeit von ihr hielten, was sie immer von ihr gehalten hatten.
    »Seine Lordschaft?«, fragte sie in ihrem kühlsten, herrischsten Ton.
    »Lord Mountrachet war in der Dunkelkammer und ist auf dem Weg hierher, Ma’am.«
    Die vermaledeite Dunkelkammer, dort hatte er also mal wieder gesteckt. Sie hatte seine Kutsche vorfahren hören, während sie das Teegespräch mit Dr. Matthews über sich hatte ergehen lassen. Hatte auf den unverkennbaren Schritt ihres Gatten in der Eingangshalle gelauscht - schwer, leicht, schwer, leicht -, aber nichts hatte sich gerührt. Sie hätte sich denken können, dass er sich schnurstracks in seine teuflische Dunkelkammer begeben hatte.
    Thomas beobachtete sie noch immer, und Adeline richtete sich zu voller Größe auf. Eher würde sie sich von Luzifer höchstpersönlich foltern lassen, als Thomas die Genugtuung zu gönnen, dass er von ihrer ehelichen Missstimmung etwas mitbekam.
»Gehen Sie«, sagte sie mit einer entsprechenden Handbewegung. »Kümmern Sie sich persönlich darum, dass die Stiefel Seiner Lordschaft von dem scheußlichen schottischen Schlamm befreit werden.«
     
     
     
    Linus saß bereits am Tisch, als Adeline eintrat. Er hatte schon angefangen, seine Suppe zu löffeln, und blickte nicht auf, sondern konzentrierte sich auf die Schwarz-Weiß-Fotos, die an seinem Ende des langen Tischs vor ihm ausgebreitet lagen: Moos und Schmetterlinge und Ziegelsteine, die Ausbeute seiner letzten Reise.
    Sein Anblick ließ eine Hitzewelle in Adeline aufsteigen. Was würden andere sagen, wenn sie wüssten, dass auf Blackhurst solche Manieren bei Tisch geduldet wurden? Aus dem Augenwinkel warf sie einen Blick zur Seite. Thomas und der Lakai schauten stur auf die hintere Wand. Aber das konnte Adeline nicht täuschen, sie wusste, was in ihren Köpfen ablief: Sie beobachteten, beurteilten und merkten sich alles, um ihren Kollegen brühwarm zu berichten, wie auf Blackhurst Manor die Sitten verfielen.
    Adeline nahm steif am Tisch Platz und wartete, während der Lakai ihr die Suppe servierte. Sie nahm einen Löffel davon und verbrannte sich prompt die Zunge. Sah zu, wie Linus mit gesenktem Kopf seine Abzüge betrachtete. Die kleine Stelle auf seinem Hinterkopf wurde immer kahler. Es sah aus, als hätte ein Spatz angefangen, sich dort ein neues Nest zu bauen.
    »Ist das Mädchen hier?«, fragte er, ohne aufzublicken.
    Adeline spürte ein Prickeln auf der Haut: das vermaledeite Mädchen. »Ja.«
    »Hast du sie schon gesehen?«
    »Selbstverständlich. Sie wurde im ersten Stock untergebracht.«
    Endlich hob er den Kopf. Trank einen Schluck Wein. Dann noch einen. »Und ist sie … Ist sie wie …?«

    »Nein«, antwortete Adeline kühl. »Nein, ist sie nicht.« Auf ihrem Schoß ballten ihre Hände sich zu Fäusten.
    Linus stieß einen kurzen Seufzer aus, brach ein Stück Brot ab und begann zu kauen. Er redete mit vollem Mund, wahrscheinlich, um sie zu ärgern. »Mansell war derselben Meinung.«
    Wenn irgendjemand die Schuld daran trug, dass das Kind jetzt in ihrem Hause war, dann war es dieser Henry Mansell. Linus mochte immer auf Georgianas Rückkehr gewartet haben, aber es war Mansell gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass er die Hoffnung nie aufgab. Der Detektiv mit seinem säuberlich gestutzten Schnurrbart und seinem Kneifer hatte Linus’ Geld genommen und ihm regelmäßig Bericht erstattet. Jeden Abend hatte Adeline gebetet, Mansell möge erfolglos bleiben, Georgiana möge nie wieder auftauchen und Linus möge lernen, sie zu vergessen.
    »Ist deine Reise zu deiner Zufriedenheit verlaufen?«
    Keine Antwort. Er war wieder mit seinen Fotografien beschäftigt.
    Adelines Stolz verbot ihr einen weiteren Seitenblick zu Thomas hinüber. Sie setzte eine entspannte, zufriedene Miene auf und probierte es noch einmal mit der Suppe. Sie war etwas abgekühlt. Adeline konnte mit Linus’ Zurückweisung leben - das hatte schon kurz nach der Hochzeit angefangen -, aber dass er von Rose überhaupt nichts wissen wollte, war unerträglich. Sie war schließlich sein Kind, sein Blut floss in ihren

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