Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Haus des Faktors.« Diese Namen waren damals nur unbekannte Worte, allerdings dauerte es nicht lange, bis ich sie verstand. »Du bist die einzige Anwärterin, die in diesem Hof wohnt. So soll es auch sein. Diese Mauern um uns herum sind deine Welt. Du wirst niemanden treffen, den ich nicht zu dir bringe, und mit niemandem sprechen, den ich dir nicht zuerst vorstelle. Du gehörst mir und deinen Erzieherinnen, bis der Faktor anderes entscheidet.« Ihre Miene wurde finster. »Und ich glaube nicht, dass eine schmutzige kleine, ausländische Göre wie du so viel Glück hat.«
Sie deutete auf den Eimer und den Krug. »Ich zeige dir, wo du die sauber machen kannst. Dann wirst du die Räumlichkeiten deiner Welt kennenlernen. Hast du verstanden, Mädchen?«
»Ja, Mistress Tirelle.« Mein Ton war unnachgiebig, aber nicht so, dass er ihre Autorität in Frage gestellt hätte.
Wir begaben uns zuerst in die Küche des Granatapfelhofes.
Viel später erst erfuhr ich, dass alle Höfe im Haus des Faktors nach ihren Bäumen benannt sind. In einigen Fällen nach nicht mehr vorhandenen Bäumen. Ob Granatapfel, Pfirsich oder Ahorn, jeder Hof sah im Wesentlichen gleich aus. Schließlich wohnte ich in einer Manufaktur, die mit dem sehr langsamen und schwierigen Prozess der Herstellung einer bestimmten Art von Frau befasst war und von unbarmherzigen Furien geleitet wurde, die nur allzu bereit waren, Mängel zu finden und eine Anwärterin wie einen alten verbeulten Topf zu entsorgen.
Das Erdgeschoss des Gebäudes, in dem sich die Räume meines kleinen Hofes befanden, war übersichtlich angelegt. Eine Küche stand am östlichsten Ende. Mehrere Hütten wie die von Papa hätten darin Platz gehabt. In ihr standen drei verschiedene Arten von Öfen, zwei Kochstellen und verschiedene kleinere Feuerstellen. Große trockene Holzklötze, glatt geschliffener Stein und seltsame Tongefäße mit Löchern warteten auf ihre Benutzung. Pfannen, Töpfe und anderes Küchenwerkzeug hingen in verwirrender Anordnung von Formen und Größen von der Decke herab und an den Wänden, neben Eimern für Körner, Wurzeln und Obst und Gemüse. Becken waren da, zum Spülen und Waschen. Es gab sogar eine große Truhe, zur Hälfte gefüllt mit Eis.
Das Einzige, das fehlte, waren Messer. Ich hatte an Bord gehört, dass ein Koch ohne ein gutes Messer gar nicht arbeiten kann, doch wer immer hier kochte, arbeitete mit ungewohnt stumpfem Werkzeug, oder er brachte sein eigenes und nahm es wieder mit.
Obgleich mir Mistress Tirelle Zeit ließ, mich umzusehen, stellte ich keine Fragen. Schließlich hatte sie nicht mit mir gesprochen.
Manche Lektionen sind nicht so schwer zu lernen.
Neben der Küche gab es ein Esszimmer. Um einen langen, wie Federos Kutsche auf Hochglanz polierten Tisch standen zerbrechlich anmutende Stühle, die wirkten, als könnten sie nicht einmal das Gewicht eines kleinen Kindes, wie ich es war, tragen, geschweige denn das eines Erwachsenen.
Während die Wände der Küche aus Ziegeln und Platten gegen Funkenflug bestanden, waren diese hier mit gebauschtem Stoff verkleidet, hell bernsteinfarben und mit Goldfäden durchwirkt. Jemand hatte den Raum wundervoll bemalt. Vögel waren mit zwei oder drei Strichen im Flug und allen möglichen Bewegungen kleiner als mein Daumennagel dargestellt. Wo ihre Augen zu sehen waren, hatte man Splitter eines grünen Steins nicht größer als Sesamkörner am Stoff befestigt.
Diese Vögel schwärmten zu Hunderten um eine Ansammlung von Bäumen, die ich für Weiden hielt. Jeder Zweig und jedes Blatt waren gemalt worden. Ein Bach floss gerade über den niedrigen Schränken, welche die Wände entlang standen. Helle Fische und Blätter und Blüten trieben in der Strömung.
Ich weiß heute, dass diese Wände vom Lebenswerk einer Künstlerin zeugten, die dem Faktor ausgeliefert gewesen war. Damals sah ich nur, wie lebendig sie waren; so sehr, dass ich das Gefühl hatte, in diese Welt eintreten zu können.
Einen Moment lang verspürte ich dieses Verlangen. Der Flug der gemalten Vögel erschien mir als ein Triumph an Schönheit und Freiheit. Aber ich wusste schon in meiner ersten Zeit in Copper Downs, dass ich diesen Raum eines Tages verlassen würde. Diese Vögel aber waren für immer in diesem Augenblick gefangen, unsterblich, aber bewegungslos in einem Stoff an der Wand.
Schon schob mich Mistress Tirelle weiter. Nicht erst eines Tages verließ ich ihn, sondern in diesem Augenblick.
Der mittlere Raum des Erdgeschosses war zum
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