Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
Vom Netzwerk:
hatten. Ich war von petraeanischen Frauen unterrichtet worden. Mit Ausnahme von Mistress Tirelle waren sie im Haus des Faktors frei ein und aus gegangen. Sie plauderten über die Stadt auf eine Weise, als ob ihnen dort ebenfalls alle Türen offen standen. In der kurzen Freiheit zwischen meinem Ausbruch und meiner Abreise hatte ich in jeder Menschenmenge Frauen gesehen – nicht als Soldatinnen natürlich. Aber sonst gingen sie ihren Tätigkeiten mit derselben Selbstverständlichkeit nach wie die Männer.
    Hier waren die Frauen jemandes Besitz, entweder Gespielinnen, wie es auch mein Geschick gewesen wäre, oder Dienerinnen und Marionetten. Nur die ärmsten Frauen – die Ehefrauen der Straßenhändler, die verschleierten Dungsammlerinnen in ihren aschgrauen Gewändern, die älteren Straßenfegerinnen, die vor den Reichen einhergingen und dafür sorgten, dass diese nicht in Kothaufen traten – nur die schienen sich mit einiger Freiheit zu bewegen.
    Copper Downs war ein Gefängnis für mich gewesen, aber Kalimpura war ein Gefängnis für alle Frauen, soweit ich das beurteilen konnte. Kein Wunder, dass Shar Angst gehabt hatte, ich könnte ihr Papas Land wegnehmen. Sie wäre eine Dienerin in tiefster Armut geworden.
    Die junge Eintreibertruppe machte anfangs einen Bogen um mich. Die Geschichte, dass ich Meister Kareen mit einem Messer bedroht hatte, machte die Runde. Einige von ihnen fürchteten meine Narben. Sie fragten sich, was ich getan hatte, um eine solche Strafe durch einen wütenden Richter oder Dorfhetman herauszufordern. Ich sorgte dafür, dass sie einen guten Blick auf mein Messer hatten, das aus besserem Stahl gefertigt war als ihre einfachen, spröden Eisenklingen, und ich bedachte sie mit grimmigen Blicken.
    Die Hänseleien begannen nach ein paar Tagen. Ein Junge, Ravi, rempelte mich an, als wir Meister Kareen das Abendessen brachten.
    Ich ließ einen Topf Hirsebrei fallen und entging nur knapp einer Tracht Prügel dafür. Später überraschte ich ihn beim Pinkeln und versetzte ihm einen Schlag auf den Kopf mit dem Griff meines Messers. Er fiel in seine eigene Pfütze. Ich schleifte ihn zurück zu unserem kleinen Feuer.
    »Kareen, Ravi ist so betrunken, dass er sich angepisst hat«, sagte ich, ließ den Jungen fallen und drehte ihn um. Alle außer Kareen lachten. Mit nachdenklichem Blick befahl er, Ravi in einen Bach zu werfen, und verbannte ihn für drei Tage.
    Danach wurden die Sticheleien gerissener, aber auch ernster. Zweimal lauerten mir Ravi und zwei Freunde in der Dunkelheit auf und versuchten, mich zu verprügeln, doch ich tänzelte aus ihrer Reichweite. Später zerschnitt ich die Sohlen ihrer Schuhe, sodass sie Blasen an den Füßen bekommen würden.
    Meister Kareen hatte dafür wenig Verständnis. »Es ist eine Sache, wenn Jungs sich in die Haare geraten und ihren Streit mit Fäusten beilegen«, verkündete er eines Abends über einem wenig appetitlichen Eintopf mit einem bleichen, gummiartigen Fisch. Ich hätte so viel besser kochen können, da die verwendeten Gewürze oft geradezu himmlisch waren. »Es ist eine andere, wenn daraus Hass wird.« Sein Blick fiel auf mich. »Green, tritt vor.«
    Ich leistete seiner Aufforderung Folge.
    Der Reviermeister nickte, und jemand rammte mich mit Gewalt in den Rücken. Es waren Ravi und seine beiden Freunde und danach auch die meisten anderen Jungs. Sie schlugen und traten mich, und ihr Gewicht drückte mich nieder, sodass ich nicht zur Seite springen oder mein Messer ziehen konnte. Ich spürte,
    wie meine Zähne nachgaben und meine Rippen wie Feuer brannten, während sie auf mich einhieben.
    Selbst hilflos zusammengerollt und weinend war mir klar, dass sie mich nicht töten würden, sonst hätten sie es längst getan. In meiner Pein und Erniedrigung auf dem Boden liegend schwor ich mir, dass ich mich nie wieder solcherart von einer Meute überwältigen lassen würde.
    »Das reicht«, sagte Meister Kareen. »Green, dir ist vergeben. Vergibst du auch deinen Kameraden?«
    Ich kam schwankend auf die Füße. Etwas stimmte mit meinem rechten Knie nicht, und jeder Atemzug brannte schmerzhaft in meiner Brust. Ich wollte hinausschreien: Nein, bei allen schlafenden Göttern, mögen sie auf dem Rad brennen! Aber es war nicht mehr genug Kraft in mir, um den Kampf zu gewinnen. »Alles ist vergeben«, log ich und senkte den Blick, sodass er nicht in meinen Augen lesen konnte.
    »Dann leih mir dein Messer«, sagte er. »Ich brauche es eine Weile.«
    »Es …« Ich rang

Weitere Kostenlose Bücher